Raupe sorgt für Schlangen

Dank Treppenraupe kann Jan Tietz zum ersten Mal an einer Party im Exhaus teilnehmen. Foto: Malte LegenhausenDas Exzellenzhaus ist ein wichtiger Veranstaltungsort für die Stadt. Jährlich werden hier 80.000 bis 100.000 Besucher empfangen. Das kulturelle Angebot reicht von Konzerten und Partys bis hin zu Lesungen und Theateraufführungen. Für Menschen mit Behinderungen ist es jedoch schwierig, daran teilzunehmen, denn die Gebäude sind nur über Treppen erreichbar und es gibt keine behindertengerechten Toiletten. Dieses Problems hat sich der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Universität angenommen. Seine Möglichkeiten sind allerdings begrenzt. Um zu gewährleisten, dass alle Menschen das kulturelle Angebot im Exzellenzhaus nutzen können, müsste die Stadt Trier bauliche Maßnahmen einleiten. Das könnte ab nächstem Jahr geschehen.

TRIER. Jan Tietz schaut sich neugierig um. Er sieht die Bar, das „Große Exil“, den Tanzraum, in dem buntes Licht flackert, den Flur zu den Toiletten und: die Treppen. Die Musik brummt schon durch die Gänge, aber bisher ist im Exzellenzhaus noch nicht viel los. Die Türen zur „Semester Kickoff Party“ wurden erst kurz zuvor geöffnet. Dass es noch leer ist, stört Tietz aber nicht. Der 26-jährige lebt seit 2008 in Trier, ist an diesem Abend allerdings das erste Mal im Exhaus. Es ist nicht so, dass er nicht gerne schon früher zu Veranstaltungen dorthin gekommen wäre – er konnte nicht. Denn Tietz sitzt im Rollstuhl, und die Einrichtung ist nicht barrierefrei.

Der AStA hat es ihm ermöglicht, das Exhaus auch mal von innen zu sehen und den Semesterbeginn mit hunderten weiteren Studenten zu feiern. In dessen Satzung steht, dass seine Veranstaltungen in barrierefreien Lokationen stattfinden müssen – das schließt das Exhaus aus. Der AStA möchte sein Sommerfest „Astatic Festival“, das für den 18. Juli geplant ist, dennoch in diesem Veranstaltungsort feiern und es für diesen Abend barrierefrei gestalten. Anlässlich der Vorbereitungen haben sie eine Treppenraupe organisiert, mit der Menschen im Rollstuhl sowohl Treppen runter- als auch raufgefahren werden können. Um am 18. Juli ein Fest für alle interessierten Besucher bieten zu können, soll nun getestet werden, ob und wie gut eine solche Transportmöglichkeit funktioniert. Tietz hat sich für eine Erprobung bereiterklärt.

„Wir wollen die Partys und alles, was wir machen, barrierefrei gestalten“, erklärt Melina Kohr, die sich im BRUT-Referat des AStAs engagiert, dem Referat für Menschen mit Behinderung und chronischen Krankheiten. „Das hier ist ein erster Versuch.“

Tietz steht mit seinem Rollstuhl an der Bar. „Ich bin gerade das erste Mal die Treppe runtergefahren“, sagt er. „Es ist gewöhnungsbedürftig, weil man einfach Vertrauen braucht in die Person, die einen festhält. Man wartet irgendwie auf den Moment, wenn die Treppenraupe wegrutscht. Aber es geht.“

Gegen Mitternacht wird die „Semester Kickoff Party“ voller, Menschen drängen sich auf den Treppen, füllen die Tanzflächen aus. Alkohol übergießt die Stufen, Scherben sammeln sich an. Tietz ist anzusehen, dass er in diesem Gewusel ungerne wieder mit der Treppenraupe hochfahren möchte. Um dennoch zu testen, ob es funktioniert und die Reaktionen der Mitfeiernden zu erleben, setzt Melina Kohr sich in den Rollstuhl, fährt mit der Treppenraupe die Stufen hinauf.

Die Mitglieder des AStAs merken schnell, dass die Raupe für Chaos auf der Treppe sorgt und keine langfristige Lösung zum Transport für Menschen mit Behinderung im Exzellenzhaus darstellen kann. „Wir waren anfangs voll begeistert“, sagt Anne Klein, die ebenfalls zum BRUT-Referat gehört. „Aber ich sehe das jetzt noch nicht als Lösung auf jeder Party.“

„Treppenraupe keine dauerhafte Lösung“

Denn die Treppenraupe braucht immer jemanden, der sie bedient, und sie nimmt recht viel Platz ein, sodass die Treppe während ihrer Nutzung für andere Besucher nicht mehr zugänglich ist. Dadurch bildet sich innerhalb kurzer Zeit eine ungeduldige Menschenmasse vor den Stufen, die – zumindest an diesem Abend – wenig Nachsicht für Menschen im Rollstuhl zu haben scheint. „Ich würde mir auch diskriminiert vorkommen, wenn ich jedesmal jemanden bitten müsste, mir von A nach B zu helfen“, ergänzt Kohr. „Hinzu kommt, dass hier keine Behindertentoilette ist und nur oben geraucht werden darf.“ Wären an diesem Abend mehr Menschen im Rollstuhl anwesend als nur Tietz, wären die helfenden Hände des AStAs mit einen Treppenraupe ziemlich überlastet.

„Die Idee, das Exhaus barrierefrei zu machen, gibt es schon lange“, bestätigt Hausleiter Hilger Hoffmann. Im Jahr 2009 hat zum ersten Mal ein Gespräch mit der Stadt Trier stattgefunden. Damals hat der AStA der Universität ein Gespräch mit Angelika Birk, der Bürgermeisterin und Dezernentin für Soziales, Jugend, Bildung und Sport, und Hoffmann gesucht. Die ersten Schritte danach schienen vielversprechend: Die Architektengruppe Peter Stahl wurde beauftragt, eine Machbarkeitsstudie zur Barrierefreiheit zu erstellen. Es wurde der Vorschlag gemacht, zwei Aufzüge zu bauen – den einen in den Schacht im Südflügel, den anderen im Innenhof an das Gebäude. Diese Machbarkeitsstudie gibt es nun seit 2011, passiert ist allerdings noch nichts.

„Eigentümer des Gebäudes ist die Stadt Trier. „Wir haben einen Nutzungsvertrag, insofern haben wir, was bauliche Maßnahmen angeht, nur eine beratende Funktion“, erklärt Hoffmann. „Wir wollen als Jugendeinrichtung auch Menschen mit Behinderungen kulturelle Teilnahme ermöglichen. Wir haben das ganze Jahr über Veranstaltungen, und bei uns ist alles entweder Treppe rauf oder runter – und damit sind diese Menschen einfach ausgegrenzt. Deswegen streben wir an, barrierefrei zu werden.“

„Projekt hat Prioriät im Jahr 2015“

Nach wie vor ist das Exhaus für Menschen mit Behinderung schwer zugänglich. Bauliche Maßnahmen am Gebäude, das seit 1972 als Jugendzentrum genutzt wird, sind bisher nicht umgesetzt worden. „Die barrierefreie Herrichtung des Exzellenzhauses ist aus Sicht der Stadtverwaltung eine notwendige und möglichst bald zu realisierende Aufgabe“, teilt das städtische Presseamt auf Anfrage von 16vor mit. „Es liegt eine Machbarkeitsstudie für den barrierefreien Ausbau des Exzellenzhauses vor, diese wird derzeit aktualisiert.“ Es sei vorgesehen, das Projekt mit Priorität im Jahr 2015 umzusetzen. „Hierfür hat das zuständige Jugenddezernat entsprechende Mittel für die Haushaltsplanung 2015 angemeldet“, so die Stadt.

Das Exhaus ist aber nicht die einzige Einrichtung, die noch behindertenfreundlicher werden kann. „Wir haben uns im BRUT Referat viel mit Barrierefreiheit beschäftigt, sowohl an der Uni, als auch in der Stadt Trier“, erzählt Kohr. „Dabei sind wir auf viele Hindernisse für Menschen mit Behinderung gestoßen. In Trier ist leider nicht viel barrierefrei. Als Mensch im Rollstuhl hat man bis auf die ‚Grüne Rakete‘ eigentlich kaum eine Party-Location, wo man problemlos mitfeiern kann. Frei zugängliche Kneipen, Clubs, Bars sind wenig zu finden – da ist alles ziemlich schwierig!“

Dem Sommerfest im Juli blickt Anne Klein jedoch positiv entgegen. „Wir würden uns was vormachen, wenn wir glauben, dass das Exhaus bis dahin barrierefrei ist. Bis Juli wird hier weder was aufgeklopft, noch ein Glasaufzug drangebaut. Deswegen wollten wir die Treppenraupe jetzt ausprobieren und gucken, wie weit dieser eine Tag für Menschen mit Behinderung zufriedenstellend gestaltet werden kann.“ Für die geplante Veranstaltung ist sie zuversichtlich. „Das wird beim Sommerfest schon klappen, das wird auf jeden Fall gehen!“

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