„Viel Anlass zu Demut“
TRIER. Ein „Aktionsbündnis Aufklärung“ hat für heute Nachmittag zu einer Demonstration zum Tagungsort der Deutschen Bischofskonferenz aufgerufen. Im ERA-Konferenzzentrum beraten noch bis Donnerstag die 66 deutschen Bischöfe und Kardinäle.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, hatte am Montagnachmittag die Frühjahrsvollversammlung eröffnet. Zuvor bezog er in einer Pressekonferenz Stellung zu den Schwerpunkten der Beratungen.
Ein Thema wurde von den Bischöfen kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzt – der Umgang mit der „Pille danach“. Zollitsch bedauerte erneut, dass zwei Kölner Kliniken ein mutmaßliches Vergewaltigungsopfer abgewiesen hatten. Der Erzbischof sprach von einem „erschreckenden“ Vorgang, derartiges dürfe sich nicht wiederholen. Zugleich kündigte er an, die Bischöfe wollten in Trier eine gemeinsame Linie in Sachen „Pille danach“ finden. Entscheidend sei, ob diese Pille auch abtreibend wirke. Hier benötige man eine „klare Auskunft“ der Wissenschaft, diese sei für eine „moraltheologische Beurteilung“ unverzichtbar. Sei sichergestellt, dass die „Pille danach“ ausschließlich zur Verhinderung einer Befruchtung nach einer Vergewaltigung eingesetzt werden könne, dann sei dies ein durchaus denkbarer Weg. Zollitsch erklärte, es lägen der Bischofskonferenz schon mehrere Gutachten zu dieser Frage vor, doch wolle er den Beratungen nicht vorgreifen. Zugleich warnte er davor, über diesen Vorfall das Positive zu vergessen, das die Beschäftigten in den katholische Kliniken täglich leisteten. Überhaupt werde „das viele Großartige“ der Kirche nicht mehr wahrgenommen, beklagte der Erzbischof. Vor diesem Hintergrund verstehe er auch manche Äußerung aus dem Klerus, etwa die des Kölner Kardinals Joachim Meisner, der kürzlich von einer „Katholikenphobie“ gesprochen hatte.
Auch der sexuelle Missbrauch durch Geistliche wird die Versammlung beschäftigen. Nachdem die Bischofskonferenz die Zusammenarbeit mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen aufgekündigt hat, sucht sie nach einem neuen Partner. „Wir bleiben an der Sache dran“, versprach Zollitsch, man sei in Gesprächen. Allerdings stellte er auch klar, dass in Trier noch keine Entscheidung darüber zu erwarten sei, welches Institut nun beauftragt werden soll.
Ein Bündnis „Aufklärung“, dem verschiedene Opferinitiativen sowie Verbände wie „Wir sind Kirche“ und die Katholische Studierende Jugend (KSJ) angehören, untermauerten am Montag ihre Kritik am Umgang der Kirche mit der Missbrauchsaffäre. Der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, habe eine „Aufgabe ohne Mandat“, er verfüge beispielsweise über keine Weisungsbefugnis an die Bistümer. Deshalb sei seine Arbeit als Missbrauchsbeauftragter zum Scheitern verurteilt. Eine neutrale staatliche Institution müsse deshalb Aufarbeitung übernehmen, verlangten Sprecher des Bündnisses. „Noch immer sieht es so aus, als ob die Frage nach der Aufklärung der Missbrauchsfälle in der Kirche eher als Imageproblem behandelt“ werde, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, in der vom „tiefsten Verrat am Evangelium in der Kirchengeschichte“ die Rede ist. Auf dem Vorplatz des Trierer Doms protestiert das Bündnis seit Sonntag unter anderem mit einer Mahnwache aus leeren Aktenordnern gegen Versuche, Missbrauchsfälle weiter zu vertuschen. Für Dienstagnachmittag ist eine Demonstration zum Tagungsort der Bischöfe geplant. Diese soll um 16.30 Uhr auf dem Domfreihof starten. Zollitsch stellte klar, dass es kein Treffen zwischen Bischöfen und Vertretern von Opferverbänden geben werde. Man wolle sich die Tagesordnung „nicht von außen“ bestimmen lassen.
Der Auftakt der Versammlung stand am Montag auch unter dem Eindruck des vor einer Woche angekündigten Rücktritts von Papst Benedikt XVI. Zollitsch sprach von einem „sehr sachlichen und richtigen Entschluss“ und würdigte das Wirken des Papstes: „Keiner hat wie er die Fehlbarkeit und Versuchbarkeit der Kirche selbst offen ausgesprochen. Ehrlich hat er von den entsetzlichen Wunden gesprochen, die Priester und andere Repräsentanten der Kirche jungen Menschen auf Lebenszeit zufügten, indem sie sie durch sexuelle Gewalt erniedrigten“. In seiner Rücktrittsankündigung habe der Papst auch um Nachsicht für alle seine Fehler gebeten, erinnerte Zollitsch und ergänzte: „Ich möchte als Vorsitzender unserer Bischofskonferenz den Heiligen Vater umgekehrt um Verzeihung bitten für alle Fehler, die vielleicht aus dem Raum der Kirche in Deutschland ihm gegenüber begangen wurden“.
Beim anschließenden Eröffnungsgottesdienst am Montagabend im Trierer Dom ging der Erzbischof dann erneut auf die Kritik an der Kirche und die Abweisung der Frau durch zwei Kölner Kliniken ein: „So schmerzt es denn überaus, wenn Hilfesuchende nicht die Aufnahme und Hilfe finden, die sie zu Recht von unseren Einrichtungen erwarten dürfen“, so Zollitsch, und weiter: „Das Wissen, dass wir aus menschlicher Begrenztheit und Schwäche stets in Gefahr sind, hinter dem Anspruch des Evangeliums zurückzubleiben und zu versagen, führt uns deutlich vor Augen, dass wir als pilgernde und dienende Kirche auch eine stets lernende Kirche sind“. Man habe „viel Anlass zu Demut“, so Zollitsch, doch müsse „auch festgehalten werden, wie sehr es schmerzt, wenn einzelne Fälle rasch verallgemeinert und zur Polemik benutzt werden. Dies schmerzt vor allem deswegen, weil ungeheuer viel Gutes zum Beispiel durch kirchliche Krankenhäuser und die verschiedenen Einrichtungen der Caritas und der Diakonie geschieht“.
von Marcus Stölb