„Schallende Ohrfeige“

KOBLENZ. Die Bundestagsabgeordnete Katrin Werner (Die Linke) hat ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts zum „Racial Profiling“ begrüßt. Personenkontrollen anhand der Hautfarbe seien „Ausdruck von Menschenverachtung“, erklärte sie.

Katrin Werner ist Mitglied des Menschenrechtsausschusses im Bundestag und gehört zudem der Parlamentarischen Versammlung des Europarates an. Die Auffassung der Koblenzer Richter, wonach Personenkontrollen der Polizei in Zügen nach dem Auswahlkriterium der Hautfarbe eine rassistische Diskriminierung darstellten, sei zu begrüßen.

Das Gericht hatte vergangene Woche mitgeteilt, dass der Rechtsstreit um die Kontrolle eines Deutschen dunklerer Hautfarbe durch Beamte der Bundespolizei „durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Verfahrensbeteiligten beendet worden“ sei. Zuvor habe sich ein Vertreter der Bundespolizei für die Kontrolle im Zug entschuldigt. Der Kläger, ein 26-jähriger Deutscher, wurde auf einer Zugfahrt von Kassel nach Frankfurt am Main von zwei Bundespolizisten angesprochen und aufgefordert, sich auszuweisen. Dies verweigerte der Mann. Daraufhin durchsuchten die Polizisten seinen Rucksack vergeblich nach Ausweispapieren und nahmen ihn mit zu ihrer Dienststelle nach Kassel, wo seine Personalien festgestellt werden konnten. Die Beamten beriefen sich auf eine Vorschrift des Bundespolizeigesetzes, wonach die Bundespolizei zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet in Zügen jede Person kurzfristig anhalten, befragen und von ihr die Aushändigung mitgeführter Ausweispapiere verlangen kann, soweit aufgrund von „Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung“ anzunehmen ist, dass der Zug zur unerlaubten Einreise genutzt werde.

Mit seiner Klage machte der Kläger geltend, er sei allein wegen seiner dunkleren Hautfarbe kontrolliert worden. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Das Oberverwaltungsgericht ließ die Berufung zu und vernahm die beiden Bundespolizisten in der mündlichen Verhandlung als Zeugen. Nach Beendigung der Beweisaufnahme machte das Gericht deutlich, dass das an den Kläger gerichtete Ausweisverlangen rechtswidrig war, weil die Hautfarbe des Klägers das ausschlaggebende Kriterium für die Ausweiskontrolle gewesen sei. Diese Maßnahme habe daher gegen das Diskriminierungsverbot in Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes verstoßen. Das OVG erklärte das erstinstanzliche Urteil für wirkungslos und legte der Beklagten die Kosten des Verfahrens auf.

„Dies bedeutet eine schallende Ohrfeige für alle konservativen Law and Order-Politiker, die ihre rassistischen Diskriminierungsabsichten mit vorgeblichen Sicherheitsinteressen zu tarnen versuchen“, kommentierte die Trierer Bundestagsabgeordnete das Urteil. Ihre Partei fordere deshalb in einem Antrag, dass auf Bundesebene ein unabhängiges Kontrollgremium geschaffen wird, das Menschenrechtsverletzungen durch Polizeibedienstete untersuchen kann.

Bislang sei die Aufklärungsquote bei Polizeiübergriffen sehr niedrig. Nur in 3 Prozent aller angezeigten Fälle werde überhaupt Anklage erhoben, so Werner. Die Dunkelziffer von tatsächlich ausgeübter Polizeigewalt liege aber „deutlich über den Fällen, die von den Betroffenen zur Anzeige gebracht werden“. Die Bundestagabgeordnete abschließend: „Solange in Deutschland im Unterschied zu Großbritannien, Frankreich oder Portugal die Polizei selbst für die Strafaufklärung in eigener Sache zuständig ist, bleiben polizeilicher Willkür und Gewalt auch künftig Tor und Tür geöffnet.“

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