„Richtig gute Entwicklung“

Vor einem Jahr schlug ein Jugendlicher einen friedlich auf einer Parkbank in Trier-West liegenden Obdachlosen nieder. Derart schwer waren die Verletzungen, dass der Mann zeitweilig in Lebensgefahr schwebte. Die Tat erschütterte die Trierer und rief das Jugendamt auf den Plan. Seither befindet sich der heute 14-Jährige in einer Jugendhilfeeinrichtung und macht offenbar Fortschritte, wie die stellvertretende Leiterin des Jugendamts im Gespräch mit 16vor berichtet. Rund 5 Millionen Euro brachte die Stadt im vergangenen Jahr für die Unterbringung von mehr als 200 Kindern und Jugendlichen in Heimen auf, doch nicht immer führen die Maßnahmen zum gewünschten Erfolg.

TRIER. „Obdachloser fast tot geschlagen“, titelte 16vor am 1. Juli 2010. Ein erst 13 Jahre alter Jugendlicher hatte einen Mann auf einer Parkbank in Trier-West misshandelt, brutal auf den 54-Jährigen eingeprügelt und eine Mülltone auf ihn geworfen. Es war ein fürchterlicher Gewaltexzess, den das Opfer beinahe mit dem Leben bezahlt hätte. Wohl nur dank eines Zeugen, der beherzt eingriff und die Polizei alarmierte, konnte der Mann gerettet werden.

Weil der Täter noch nicht strafmündig war, blieb das Verbrechen juristisch folgenlos. Stattdessen schaltete sich das Jugendamt der Stadt ein. Der Junge wurde kurzzeitig in der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Mutterhauses der Borromäerinnen untergebracht, dann aber wieder nachhause entlassen. Die bemühte aber erkennbar überforderte Mutter, die noch mehrere Kinder zu versorgen hat und sehr auf den Jungen fixiert gewesen sein soll, stimmte schließlich zu, dass ihr Sohn in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht wurde. Seit einem Jahr besucht er nun eine Förderschule mit dem Schwerpunkt soziale und emotionale Entwicklung. In kleinen Klassen erfahren die Kinder und Jugendlichen eine besonders intensive Betreuung, bekommen aber vor allem auch klare Regeln und Grenzen gesetzt.

Das komme gut an bei dem inzwischen 14-Jährigen, berichtet Dorothee Wassermann. Der Junge nehme „eine richtig gute Entwicklung“, erklärt sie im Gespräch mit 16vor. Sie wolle nichts beschönigen, betont Wassermann, der Aufwand sei schließlich enorm. Doch im konkreten Fall laufe bislang alles nach Plan: Mutter, Einrichtung und Jugendamt zögen an einem Strang, was nicht in allen Fällen die Regel sei. Der Kontakt zwischen Mutter und Sohn bestehe, regelmäßig besuche er sie und die weiteren Geschwister in Trier und kehre dann immer pünktlich in die Einrichtung zurück. Zudem arbeite der Junge seine „erheblichen Lernlücken“ auf, sei ordnungsliebend und fleißig, berichtet Wassermann mit Verweis auf das Zeugnis, das ihm die Einrichtung ausstellte. Eine längerfristige Prognose möchte sie aber nicht abgeben, mit 14 Jahren sei vieles noch offen. Ziel sei es aber, dass der Jugendliche einen Schulabschluss macht, dann werde man gemeinsam nach einer möglichen Ausbildungsstelle schauen.

Der Fall des jugendlichen Schlägers von Trier-West sorgte aufgrund der Brutalität des Täters für besonderes Aufsehen, doch ein Einzelfall ist er nicht. Im vergangenen Jahr waren insgesamt 202 Kinder und Jugendliche auf Betreiben des Jugendamts in Heimen untergebracht. Darunter waren allerdings auch Jungen und Mädchen, die beispielsweise aufgrund der Erkrankung eines alleinerziehenden Elternteils vorübergehend betreut werden mussten. Insgesamt flossen 2010 aus dem städtischen Haushalt rund fünf Millionen Euro in Maßnahmen der Jugendhilfe. Das ist kein Pappenstiel, doch auf lange Sicht wohl immer noch günstiger, als die Verweigerung von Unterstützung – zumindest dann, wenn die pädagogischen Konzepte zum Ziel führen und die Jugendlichen wieder auf den rechten Weg kommen. Dorothee Wassermann räumt ein, dass dies nicht immer der Fall ist.

Natürlich steht bei der Betreuung des 14-Jährigen auch das Thema „Umgang mit Aggressionen“ weit oben. Schon vor seiner Tat im Juli letzten Jahres war er wiederholt als Schläger aufgefallen, und auch nach seiner Unterbringung im Heim kam es hin und wieder zu Ausbrüchen. Zu solchen Grenzüberschreitungen komme es nun aber kaum noch, der Junge reflektiere stärker sein Verhalten und denke auch „über Handlungsalternativen“ nach, wie es Wassermann ausdrückt.

Also alles in Butter? Wichtiger noch als die Entwicklungsfortschritte des Täters ist das Schicksal des Opfers. Doch hierüber etwas zu erfahren, gestaltet sich als einigermaßen schwierig. Bei der Stadt verweist man auf Datenschutz und Persönlichkeitsrechte, auch andere Stellen, die mit dem als sehr zurückhaltend beschriebenen Mann zu tun hatten, halten sich bedeckt. Dem Vernehmen nach soll das Opfer aber keine dauerhaften körperlichen Schäden davon getragen haben. Im Benedikt-Labre-Haus, einer Anlaufstelle für Wohnungslose, bestätigt man immerhin, dass der Mann regelmäßig seine Post abholen kommt.

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