Marx en masse

Mit ihrem berühmten Sohn tut sich Trier mitunter schwer, doch im kommenden Jahr steht ein Ereignis an, das gebührend begangen werden soll: Am 14. März 2013 jährt sich zum 130. Mal der Todestag von Karl Marx. Kein wirklich runder Jahrestag, doch eine runde Sache soll die Ausstellung werden, die das Stadtmuseum Simeonstift plant: „Ikone Marx – Kultbilder und Bilderkult“ lautet der Titel der Schau, von der Schneekugel bis zum großflächigen Ölgemälde soll die Auswahl der Exponate reichen. Für Aufsehen dürfte aber vor allem eine Installation des Aktionskünstlers Ottmar Hörl sorgen: Er will im Umfeld der Porta Nigra Hunderte Marx-Skulpturen aufstellen. Wie viele es am Ende sein werden, hängt nicht zuletzt von der Großzügigkeit potenzieller Sponsoren ab: „Ich hoffe, dass man Marx mit einer gewissen Sympathie begegnet“, sagt Hörl im Gespräch mit 16vor.

TRIER. Wer vor seinem inneren Auge ein Bild Friedrich Engels aufrufen will, dürfte schnell an seine Grenzen stoßen. Zumindest wird es den meisten wohl weitaus schwerer fallen, als sich das Konterfei von Karl Marx ins Gedächtnis zu rufen. Mit Engels würde auch kein schwedisches Möbelhaus werben, keine Kette wie Ikea. Vor zwei Jahren baute das Unternehmen die monumentale Marx-Büste in Chemnitz, das zu DDR-Zeiten den Namen „Karl-Marx-Stadt“ tragen musste, in einen PR-Gag ein. „Wie man gute Ideen erfolgreich umsetzt“, lautete der doppelsinnige Slogan. Immerhin: Den Kampagnenmachern von Apple war in der ersten Hälfte der 80er-Jahre neben Marx auch noch der Name Engels geläufig. „Es wurde Zeit, dass mal ein Kapitalist die Welt verändert“, warb das Unternehmen seinerzeit für sich und seine Produkte – und reihte neben einem MacIntosh Buchimitate von Mao über Marx bis Lenin auf – und Engels eben.

Wenn sich im März nächsten Jahres zum 130. Mal der Todestag von Karl Marx jährt, werden im Stadtmuseum Simeonstift auch Beispiele für die Verwendung des berühmten Trierers in der Werbewelt zu sehen sein. Die Ausstellung „Ikone Marx – Kultbilder und Bilderkult“ soll einen neuen, kunsthistorisch geprägten Blick auf den Philosophen ermöglichen. Im Fokus steht eine politische Ikonografie: Wie wird Marx gezeigt und in welchem Kontext? Was wird damit indirekt suggeriert, worauf spielen die Darstellungen an? „Erstaunlicherweise hat in der Forschung bisher noch niemand versucht, einen Gesamtüberblick der bildlichen Repräsentation von Karl Marx zu geben“, erläutert die Direktorin des Stadtmuseums, Dr. Elisabeth Dühr, die Intention der Ausstellungsmacher. „Nie wurde systematisch die Frage nach den visuellen Konsequenzen dieser für die politische wie die Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts so prägenden Figur gestellt“, ergänzt sie gegenüber 16vor. Das soll sich mit der geplanten Ausstellung ändern, kündigt Projektleiterin Dühr an, die bei der Vorbereitung der Ausstellung auf zwei Fachfrauen setzen kann: Professor Beatrix Bouvier, ehemalige Leiterin des Museums Karl-Marx-Haus, und Dr. Barbara Mikuda-Hüttel, ausgewiesene Ikonografie-Expertin, fungieren als Kuratorinnen der Ausstellung.

Gezeigt werden auch Exponate, die „fast den Charakter von Devotionalien haben“, erläutert Dr. Sonja Mißfeldt. Die Kunsthistorikerin und Sprecherin des Stadtmuseums nennt beispielhaft Aschenbecher und Schneekugeln. „Wir werden eine breite Mischung von Hochkultur bis Trivialkunst zeigen“, kündigt Mißfeldt an. Viel konkreter will sie noch nicht werden, schließlich steht noch nicht fest, welche der vom Stadtmuseum angefragten Leihgaben anderer Häuser tatsächlich zur Verfügung gestellt werden. Nur soviel: Mehr als 100 Exponate werden gezeigt. „Das wird keine Ausstellung zu Leben und Werk“, stellt Mißfeldt klar, im Mittelpunkt stehe vielmehr die Frage, weshalb Darstellungen von Marx bis heute derart präsent seien.

„Rot? Vielleicht. Oder ein solides Grau.“

Ähnlich wie bei dem Guerillaführer Che Guevara oder dem Massenmörder Mao profitiert Marx bis heute von einem enormen Wiedererkennungswert: Der gewaltige Kopf, vor allem aber der weiße Rauschebart verleihen ihm etwas nahezu Unverwechselbares. So hat er Züge einer Kultfigur, und für nicht wenige ist er das bis heute. Doch Marx wurde bekanntlich auch heroisiert und propagandistisch instrumentalisiert, was sich in zahlreichen Gemälden niederschlug. Die Trierer Ausstellung will die verschiedenen Facetten abbilden und auch Werke des „sozialistischen Realismus“ zeigen, beispielsweise aus der ehemaligen DDR.

Läuft alles nach Plan, könnte Marx im nächsten Jahr in seiner Geburtsstadt allgegenwärtig sein – zumindest im Schatten der Porta Nigra. Hunderte Skulpturen sollen im Umfeld des Welterbes aufgestellt werden. Ottmar Hörl wird sie entwerfen. Der Aktionskünstler sorgte schon bundesweit für Aufsehen; etwa mit seinen Zwergen, die den Mittelfinger oder den Hitlergruß zeigen. In Bayreuth überzog er 2004 mit seiner Installation „Wagners Hund“ die halbe Stadt mit Hunderten Plastiken. Anlässlich des Dürer-Jahres drapierte er auf dem Nürnberger Hauptmarkt 7.000 Hasen, in Bremerhaven sorgte er für einen „Zwergenaufstand“. Kunst im öffentlichen Raum ist Hörls Metier. Man muss nicht schön finden, was er macht, doch zur Auseinandersetzung laden seine Installationen allemal ein. Marx ist für ihn nach eigener Darstellung eine besonders reizvolle Herausforderung, wie er im Gespräch mit 16vor berichtet.

Auf die Frage, ob er sich für den Trierer Denker auch eine Geste einfallen lasse, die eventuell sogar provoziere, antwortet Hörl: „Marx ist schon die Botschaft“. Und überhaupt: Mit Provokation habe er es nicht, zumindest wolle er nicht offen provozieren. „Es ist viel besser, wenn der Künstler die Gabe der Subversion besitzt“, sagt er. Er wolle die Betrachter nicht vor den Kopf stoßen, sondern erreichen, dass sie ins Nachdenken kommen und sich auf eine Diskussion einlassen. Und da gäbe es aus Sicht bei Marx einiges zu bereden, ist Hörl, der sich als Kind der „Frankfurter Schule“ bezeichnet, überzeugt. Schließlich sei bis heute eine gewisse Verkrampftheit im Umgang mit dem Denker festzustellen, dieser werde noch immer „in Sippenhaft genommen“, weil seine Ideen von anderen missbraucht worden seien. „Das hat er eigentlich nicht verdient“, sagt Hörl, der hofft, dass man „Marx mit einer gewissen Sympathie begegnet“.

Etwas Sympathie für die geplante Installation erhofft er sich schon im Vorfeld. Denn wie groß die Heerschar an Marx-Skulpturen ausfällt, dürfte vor allem davon abhängen, ob sich genügend private Sponsoren finden werden. Hörl will mindestens 500 Figuren schaffen, die bis zu einem Meter hoch sein werden. Was die farbliche Gestaltung anbelangt, ist er noch unentschieden: „Rot liegt ja nahe“, sagt er, und „ich liebe Rot“. Nach einer kurzen Pause ergänzt der Künstler: „oder vielleicht ein solides Grau?“

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