Linienbusse auf der Mosel?
Per Bahn und Schiff werden die Waren in einem zentralen Logistikzentrum angeliefert, von dort fahren einige wenige Lieferwagen statt vieler LKW zu mehreren Läden gleichzeitig, und die Kunden kommen per Wasserbus, welcher die Städte Konz, Trier und Schweich miteinander verbindet, zum Einkaufen. Solche Ideen wären womöglich bereits Wirklichkeit, wenn ein entsprechendes Konzept des Trierer Amtes für Stadtentwicklung und Statistik aus dem Jahr 1998 weiter verfolgt worden wäre. Unter dem Titel „Grüne Stadtlogistik“ will das Städtenetz Konz – Trier – Schweich nun versuchen, den Personen- und Güterverkehr städteübergreifend wirtschaftlich und umweltschonend zu koordinieren. Im Rahmen der Europäischen Woche der Mobilität diskutierten Vertreter der drei Gemeinden mit Experten für Stadtentwicklung und Logistik über erste Ansätze. OB Klaus Jensen warnte jedoch vor allzu hohen Erwartungen.
TRIER. Mit dem Schiff fängt alles an. Das liegt zunächst einmal an dem für eine Diskussionsveranstaltung nicht alltäglichen Veranstaltungsort: Mit leisem Surren macht sich die Undine II mit etwa 50 Gästen auf die Fahrt vom Zurlaubener Ufer über die Mosel nach Schweich; so leise, dass Moderator Dieter Lintz meint, das höre sich schon fast nach einem Elektroantrieb an. Nur das Fahrttempo dürfte im Alltagsbetrieb nicht überzeugen. Für die anstehenden Vorträge und die anschließende Podiumsdiskussion aber kann es nicht langsam genug sein.
Johannes Weinand, Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik, ist noch gar nicht an Bord, da kommt er schon ins Schwärmen: „Mir schwebt ein Luftkissenboot vor, im Linienverkehr zwischen Schweich, Trier und Konz. Alle jammern immer, dass die Straßen dicht sind, und auf der Mosel ist alles frei. So ein Luftkissenboot braucht zwischen Trier und Schweich gerade einmal zehn Minuten.“ Während seines Vortrags fügt er noch hinzu: „Die Anlegestellen haben wir bereits.“ Auch Gastreferent Hans-Dietrich Haasis, Professor für Produktionswissenschaft an der Universität Bremen, lässt sich vom Veranstaltungsort inspirieren: „Denken Sie doch mal über ein Cargoschiff nach, auf dem Sie Personen und Güter per e-Mobilität transportieren, hier entlang dieser schönen Strecke.“
Weinand hat für seinen Vortrag ein Konzept von 1998 noch einmal aus der Schublade geholt. Die Ziele von damals würden weiterhin gelten, nur die Daten müsse man neu erheben, sagt er. Heute noch mehr als damals seien die Städte Konz, Trier und Schweich vielfältig miteinander verflochten. Die Belieferung von Betrieben und Haushalten spiele dabei eine besondere und weiterhin wachsende Rolle. Dabei gelte es, die verschiedenen Transportmittel – Schiene, Straße, Wasserwege – sowie Akteure – Einzelhandel, Krankenhäuser, öffentliche Verwaltung – einzubeziehen und zu koordinieren. Ebenso müssten die Gewerbegebiete integriert werden. Immer wieder betont Weinand dabei: „All das geht nicht ohne ordnungspolitische Ge- und Verbote.“ Das heißt, die Politik muss mit entsprechenden Maßnahmen, wie etwa Fahr- und Parkverboten in der Fußgängerzone oder Sonderfahrstreifen für Elektroautos die Umsetzung eines Logistikkonzeptes begleiten.
Die positiven Effekte einer städteübergreifenden Koordinierung des Wirtschaftsverkehrs kann Weinand ebenso aus dem „alten“ Konzept vorlesen: Durch die Bündelungseffekte von verschiedenen Transportmitteln und Akteuren würden der Verkehr und somit Lärm und Abgase insgesamt reduziert. Gleichzeitig erhielten die Kunden einen besseren und schnelleren Service. Eine gesteuerte Stadtlogistik würde die Lebensqualität und die Attraktivität der Innenstadt erheblich steigern – „eine imagefördernde Maßnahme für die gesamte Region.“
Dass das Konzept von 1998 bisher so nicht umgesetzt worden sei, liegt nach Ansicht Weinands insbesondere an drei Faktoren: Damals habe man nicht alle Akteure eingebunden, Ge- und Verbote waren ordnungspolitisch nicht durchzusetzen, und man habe sich nur auf Trier konzentriert. Das Städtenetz Konz – Trier – Schweich wurde erst im Jahr 2009 gegründet. Eine weitere Voraussetzung, die es damals noch nicht gegeben hat, sei die Elektromobilität – „eine große Chance für eine erfolgreiche Stadtlogistik.“ Das Städtenetz hat sich bereits einige Elektroautos angeschafft, und seit Kurzem gibt es auch eine öffentliche Ladestation in einem Trierer Parkhaus.
Experte: Positive Ansätze sind vorhanden
„Die machen das ja alles schon“, dachte sich daher auch Hans-Dietrich Haasis, als er sich im Vorfeld seines Vortrags im Internet über die drei Städte informierte. Sein erster Eindruck von Trier habe ihn dann allerdings enttäuscht. Zum Beweis zeigt er ein Foto, dass er am Vormittag unweit seines Hotels in der Innenstadt aufgenommen hat: Nicht von Touristen, sondern von Lieferwagen wimmelt da die Fußgängerzone. „Das kann ja wohl nicht sein, dass LKWs den Touristen den Anblick auf die Porta Nigra verwehren. Was würden die Römer angesichts eines solchen Kuddelmuddels sagen? Mit Ihren Sehenswürdigkeiten und den engen Gassen haben Sie hier Strukturen, die Sie schon längst zu einer vernünftigen Stadtlogistik hätten anregen sollen“, kritisiert Haasis.
Dabei seien positive Ansätze bereits vorhanden, fügt der Logistik-Experte lobend hinzu. Das Güterverkehrszentrum (GVZ) im Trierer Hafen habe sich mittlerweile auf Platz 10 unter den GVZs in Deutschland etabliert. Um diesen Standort herum könnte das Städtenetz eine intelligente Stadtlogistik aufbauen, die mehr als nur Transportdienstleistungen anbiete und gleichzeitig Verkehrskonzepte mit Informations- und Energienetzwerken verbinde. „Eine wirklich grüne Stadtlogistik erreicht man erst, wenn man die Energie, die in die Elektroantriebe fließt, auch selbst herstellt.“ Zum Beispiel über Solarzellen auf den Dächern des GVZ. Im nächsten Schritt könne man seine Fahrzeugflotte selbst als Speichermedium nutzen und damit Energie ins Netz einspeisen, also selbst zum Produzenten werden. Darüber hinaus empfiehlt Haasis Kooperationen mit CO2-freien Seehäfen wie Rotterdam oder Antwerpen.
Solche umfassenden Logistik-Konzepte wurden bisher nur in sehr großen Städten wie etwa in Hamburg umgesetzt. Von Verbünden aus kleineren Städten sind zumindest Haasis keine derartigen Ansätze bekannt. Das Städtenetz besitze aber „viele positive Charakteristika, die es anderswo nicht gibt: Die interkommunale Kooperation, die deutschlandweit einzigartig ist, ein regionales Wissensmanagement in Form eines runden Tisches Logistik und das Mobilitätskonzept 2020.“ Dazu kämen Faktoren, die man reaktivieren oder weiter ausbauen könne: das Projekt e-Mobilität, das Schienennetz in und um Trier, die Moselschifffahrt und nicht zuletzt die Universität mit kreativen Köpfen wie dem Verkehrswissenschaftler Heiner Monheim, der sich sicherlich auch aus dem Ruhestand heraus engagieren würde, oder die Fachhochschule am Standort Birkenfeld, wo auf dem Gebiet der Brennstoffzelle geforscht wird.
„Bauen Sie eine Porta Futura!“
Haasis appelliert an die Städtevertreter, sich an der aktuellen Ausschreibung des Bundesverkehrsministeriums zur Förderung von Elektromobilität zu beteiligen. „Sie haben 100 Prozent Chancen, die Förderung zu bekommen, wenn sich alle Akteure zu dem Projekt bekennen. Trier darf nicht nur auf seine Geschichte blicken, sondern braucht auch ein Schaufenster in die Zukunft. Bauen Sie neben der Porta Nigra eine Porta Futura!“
Nach so viel Zukunft sieht sich Triers Oberbürgermeister Klaus Jensen (SPD) zunächst genötigt, die Erfolge der Vergangenheit sowie bereits geplante Projekte aufzulisten, wie etwa den Petrisberg, die Windkraft oder das Pumpspeicherkraftwerk. Viele Vorhaben hätten als „spinnerte Idee“ begonnen, seien belächelt worden und heute sehe man, was daraus geworden sei. „Und wer hätte sich vor zehn Jahren vorstellen können, in welchem atemberaubenden Tempo wir jetzt die Energiewende vollziehen, mit voller Akzeptanz der Bevölkerung.“ Hinsichtlich einer grünen Stadtlogistik warnt Jensen indes vor allzu hohen Erwartungen: „Ich wäre schon sehr froh, wenn wir in fünf Jahren so weit wären, dass wir im Lieferverkehr täglich einige Hundert Fahrzeuge weniger hätten. Das wäre ein Riesenfortschritt.“ Für eine ausführliche Diskussion innerhalb des Städtenetzes über die Grüne Stadtlogistik bleibt kaum noch Zeit, das Gespräch wird aber sicherlich bei einem der nächsten Treffen des Städtenetzes fortgesetzt werden, versprach Jensen. Nach anderthalb Stunden legt Undine II wieder am Zurlaubener Ufer an.
Am Ende geht es noch einmal um das Schiff. Schweichs Bürgermeister Otmar Rößler und Konz Beigeordneter Manfred Wischnewski sind angetan von der Idee mit dem schwimmenden Linienbus. „Ich habe mich in der Vergangenheit immer wieder gefragt, warum wir die Mosel nicht nutzen“, sagt Wischnewski, und Rößler fügt hinzu: „Ich finde das eine spannende Idee, die Schifffahrtswege mit einzubeziehen. Dazu müsste man aber auch Parkplätze an den Anlegestellen ausweisen, die Verbindungen müssen für Pendler attraktiv sein, und es bräuchte Anbindungen an andere Verkehre.“ Ein Mitglied des Konzer Stadtrates gibt zu bedenken, dass die Staustufe zwischen Trier und Konz für einen schnellen Personenverkehr nicht geeignet sei. Gudrun Backes aus dem Trierer Stadtrat bringt die „Stadt am Fluss“ ins Spiel, mit der Oberbürgermeister Jensen bei der letzten Wahl angetreten war und verweist auf die Hovercrafts, welche die britischen Inseln und das britische Festland im Minutentakt miteinander verbinden. „Wir sollten auch auf andere Länder schauen, die ihre Mobilität schon in Position gebracht haben. Und für Konz finden wir auch eine Lösung.“
Die Gäste aus Konz bleiben noch länger an Bord. Sie reisen per Schiff zurück, so, wie sie auch zu der Veranstaltung gekommen sind. Die Fahrzeit beträgt eine Stunde – einfache Fahrt. Zeit genug, die Idee mit den Linienbussen auf der Mosel weiterzuspinnen.
An diesem Sonntag findet auf dem Viehmarkt ein Aktionstag zum Thema Mobilität statt. Im Zentrum der Veranstaltung steht das Thema Elektromobilität. So können Besucher E-Mobile und E-Bikes testen. Weitere Informationen finden Sie hier. Mit von der Partie ist auch der Allgemeine Deutsche Fahrradclub, der eine kostenlose Klebecodierungs-Aktion anbieten wird. Hierbei wird ein spezielles Etikett verwendet, das besonders gegen unbefugtes Ablösen gesichert ist.
von Antje Eichler