Kündigung verärgert Trierer Ärzteverein
Die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz hat dem Verein „Ärztebereitschaft Region Trier e.V.“ den Versorgungsauftrag für die örtliche Notdienstversorgung gekündigt. Entsprechende Informationen von 16vor bestätigte am Dienstag die KV in Mainz. Die Vereinigung will die Trägerschaft für die Bereitschaftsdienst-Zentrale im Mutterhaus übernehmen. Das auch unter der Bezeichnung „Ärztlicher Notdienst“ bekannte Angebot stellt die Versorgung von Patienten außerhalb der üblichen Sprechzeiten sicher. Im Verein fürchtet man nun einen Rückfall in alte Zeiten, als niedergelassene Ärzte mitunter zwangsverpflichtet wurden und der Notdienst an nur wenigen Tagen geöffnet war. Die Entscheidung der KV sei „nicht nachvollziehbar“, heißt es. In Mainz beschwichtigt man: Für die Patienten ändere sich durch den Trägerwechsel „zunächst nichts“.
TRIER. Die ältere Dame bekam keinen Bissen mehr runter. Binnen weniger Stunden hatte eine schmerzhafte Angina ihr das Schlucken zur Qual gemacht. Nun kam noch ein leichter Asthma-Anfall hinzu, weshalb die 82-Jährige auch mit Atemnot zu kämpfen hatte. Doch an einem Samstagmorgen würden ihr weder der niedergelassene HNO-Arzt noch die ihr vertraute Lungenfachärztin helfen. Den Rettungswagen rufen und sich in ein Klinikum bringen lassen, schien der geplagten Seniorin nicht angemessen. Also blieb ihr noch der Weg zur Bereitschaftsdienst-Zentrale.
Ist der eigene Haus- oder Facharzt nicht erreichbar, können Patienten die BDZ in der Feldstraße aufsuchen. Hier, in einem Neubau des Mutterhauses, unterhalten die niedergelassenen Ärzte der Stadt und des unmittelbaren Umlands Behandlungsräume samt Sprechstundenhilfen und Gerätschaften wie beispielsweise einem EKG. Zudem können die diensthabenden Ärzte bei Bedarf auch auf die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten des Klinikums zurückgreifen. Getragen wird die Einrichtung vom Verein „Ärztebereitschaft Region Trier e.V.“, der das Angebot seit mehr als vier Jahren koordiniert und dafür sorgt, dass die Zentrale zu den angegebenen Zeiten auch besetzt ist.
Grundsätzlich sind niedergelassene Ärzte verpflichtet, auch außerhalb der Sprechstunden die Versorgung ihrer Patienten wahrzunehmen. Doch weil sich die meisten Mediziner hierzu weder in der Lage sehen noch willens sind, permanent abrufbar zu sein, gibt es in Städten wie Trier einen organisierten Bereitschaftsdienst. Die Versorgung der Patienten wird nur von denjenigen Ärzten geleistet, die im Dienstplan der BDZ eingeteilt sind. Der einzelne niedergelassene Arzt ist während dieser Zeit von seiner Verpflichtung befreit, seine Patienten selbst zu behandeln, erläutert die KV.
Drohen wieder Zwangsverpflichtungen?
Bis vor wenigen Jahren musste auch in Trier jeder mal ran, wurden die Ärzte quasi zwangsverpflichtet. Das führte nicht selten zu Problemen und Auseinandersetzungen. Etwa wenn weniger gefragte Dienste wie der am Heiligen Abend besetzt werden mussten oder manche Mediziner allzu offenkundig nach den „Goldschürferschichten“ trachteten, die reichlich Umsatz versprachen. Hatte ein Arzt Notdienst, behandelte er in seiner Praxis. Die Behandlungen wurden über ihn abgerechnet. Klar, dass an einem Samstag mehr Umsatz zu machen war als bei einem Nachtdienst.
Der Trierer Verein wählte einen völlig anderen Weg: eine zentrale Anlaufstelle und Ärzte, die sich freiwillig meldeten, sollten es nun richten. Von den rund 200 betroffenen Medizinern bringen sich zwar lediglich rund zehn Prozent aktiv mit ein, berichtet Dr. Johannes Busemeyer, Allgemeinmediziner aus Ruwer, doch sei es nie ein Problem gewesen, die Schichten zu besetzen. Dafür sorgten auch Stundensätze von 40 Euro sowie Prämien für wenig begehrte Schichten: Wer am Heiligen Abend Dienst schiebt, bekommt einen Zuschlag von 250 Euro; an Ostern und Pfingsten winken ebenfalls Zulagen, auch wenn diese weit geringer ausfallen.
Busemeyer war bis vor wenigen Wochen stellvertretender Vorsitzender des Vereins „Ärztebereitschaft Region Trier“. Dass er dieses Amt nun niederlegte, hatte auch mit der Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung in Mainz zu tun. Die kündigte dem Verein zum 30. März nächsten Jahres den Versorgungsauftrag. Die Kündigung kam nicht überraschend, doch für Busemeyer und seine Kollegen ist sie nach wie vor unverständlich. Denn das Trierer Konzept habe sich eingespielt und arbeite obendrein wirtschaftlich, argumentiert er. Flossen die Abrechnungen für die Behandlungen früher in den Umsatz des jeweils diensthabenden Arztes, fließen sie heute in die Finanzierung der BDZ. Diese wird außerdem von einer Umlage finanziert, die alle niedergelassenen Humanmediziner entrichten müssen und die aktuell 80 Euro monatlich beträgt. Darüber hinaus habe man keinerlei Zuschüsse beanspruchen müssen, so Busemeyer. Eine Umfrage des Vereins unter den Patienten ergab einen Zufriedenheitsgrad von 88 Prozent. Es habe „keinerlei größere Beschwerden gegeben“, heißt es in einem Rundschreiben, in dem mit Blick auf die Kündigung durch die KV von einer „sehr traurigen Mitteilung“ die Rede ist.
KV-Vorstand verteidigt Entscheidung
Hinter vorgehaltener Hand fürchten nun einige Ärzte, dass wieder die Zeiten der Zwangsverpflichtungen zurückkehren könnten. Momentan sind alle niedergelassenen Ärzte in der Region Trier von einer Dienstverpflichtung befreit, da die BDZ funktioniert und die Versorgung auch aus Sicht der KV sichergestellt ist. „Künftig kann es dann wohl wieder passieren, dass man als Patient einem frustrierten Kollegen gegenübersitzt, der nicht freiwillig seinen Dienst macht“, warnt ein Vereinsmitglied. Auch Busemeyer sieht die Gefahr, dass sich das Angebot verschlechtern könnte, worunter letzten Endes vor allem die Patienten zu leiden hätten. Daneben geht es aber auch um wirtschaftliche Interessen der Mediziner: Intern wird über eine Erhöhung der Umlage für die niedergelassenen Ärzte spekuliert, schließlich liege diese schon heute in anderen Landesteilen höher als in Trier, gibt man zu bedenken. Der Stundenlohn für die Bereitschaftsdienste könnte hingegen sinken, mutmaßt man im Verein.
In Mainz sieht man derweil keinerlei Grund für Besorgnisse: Zumindest für die Patienten ändere sich durch die Kündigung der Trägerschaft „zunächst nichts“, teilte eine Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung am Dienstag auf Anfrage gegenüber 16vor mit. Zur Begründung für das Vorgehen heißt es: „Der Vorstand der KV Rheinland-Pfalz hatte in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen, dass der organisierte Bereitschaftsdienst – besonders in den ländlichen Regionen von Rheinland-Pfalz – ohne eine flächendeckende Patientenversorgung durch Bereitschaftsdienst-Zentralen kurzfristig zu einem Problem zu werden droht“. Vor diesem Hintergrund habe man ein neues Bereitschaftsdienstkonzept erarbeitet, welches die Vertreterversammlung der KV am 2. September 2009 beschlossen habe. „Oberstes Ziel ist dabei, durch die Bereitschaftsdienst-Zentralen eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung in Rheinland-Pfalz zu gewährleisten“. Die Organisation des Bereitschaftsdienstes in den einzelnen Landesteilen sei bis dahin sehr unterschiedlich gewesen. „Daher sieht die neue Bereitschaftsdienstordnung (BDO) ein einheitliches Vorgehen im gesamten Land vor“.
Die BDO trat im September 2009 in Kraft. Sie sieht vor, nach und nach alle Bereitschaftsdienst-Zentralen in die Trägerschaft der KV zu überführen. „Da die Bereitschaftsdienst-Zentrale Trier die geforderten Strukturen der neuen Bereitschaftsdienstordnung weitestgehend erfüllt, wird diese zum 1. 4. 2012 als Zentrale anerkannt und unter dem Dach der KV RLP weitergeführt werden“, kündigte die Sprecherin an und versicherte, dass die Öffnungszeiten der BDZ Trier in der Woche „unverändert bestehen“ blieben. Auch die Verträge des nichtärztlichen Personals, beispielsweise der Arzthelferinnen, würden von der KV übernommen. Zudem wolle man den Mietvertrag übernehmen und im Mutterhaus bleiben. Was die Vergütung der diensthabenden Ärzte anbelangt, so werde diese künftig von der KV übernommen. „Die Ärzte werden über die Details gesondert informiert“.
von Marcus Stölb