Kameras im Palastgarten, Wache in der Palaststraße

Werden Hauptmarkt, Palastgarten und Domfreihof schon bald von Kameras überwacht? Das Vorhaben ist zumindest Teil eines Maßnahmenpakets, mit dem sich die Polizei für die Heilig-Rock-Wallfahrt rüstet. Zwar rechnen die Sicherheitskräfte mit einem „friedlichen Pilgerfest“, kalkulieren aber mit deutlich mehr Besuchern, als bislang erwartet. Polizisten aus Belgien, Frankreich und Luxemburg sowie dem Saarland werden ihre Kollegen vor Ort unterstützen. Was die geplante Kameraüberwachung anbelangt, scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen, wie der Landesbeauftragte für den Datenschutz gegenüber 16vor erklärte. Die Piratenpartei und der Chaos Computer Club kritisieren die Pläne der Polizei: „Kameras gaukeln Sicherheit nur vor“.

TRIER. Mit Prognosen, wie viele Menschen zur vierwöchigen Wallfahrt erwartet werden, hält man sich im Bistum betont zurück. Die Besucherzahlen von 1933 und 1959, als 2,2 beziehungsweise 1,8 Millionen Pilger nach Trier kamen, werden wohl niemals mehr erreicht, und auch die Messlatte von 1996 liegt noch sehr hoch: Damals pilgerten etwa 700.000 Gläubige und Interessierte in den Dom, um den Heiligen Rock zu sehen. Bislang kursierte in Prognosen die Zahl von einer halben Million Menschen, die dieses Mal während der vier Wochen dauernden Wallfahrt die älteste Bischofskirche Deutschlands besuchen werden. Für diese Masse werde man sich zumindest wappnen, erklärte Wallfahrtsleiter Monsignore Georg Bätzing im Dezember im Gespräch mit 16vor – wobei er gleich darauf betonte, dass diese Zahl nichts über seine konkreten Erwartungen aussage.

Vor diesem Hintergrund überrascht die Einschätzung des Polizeipräsidiums vom Dienstag: In einer Mitteilung heißt es, dass allein die bereits jetzt angemeldeten Pilgergruppen erwarten ließen, dass eine Besucherzahl von 700.000 Menschen „durchaus realistisch“ sei. Seit Anfang 2011 ist man mit den Verantwortlichen des Bistums im Gespräch, um sich gemeinsam auf das Großereignis vorzubereiten. Beim Polizeipräsidium wurde hierfür ein eigenes Planungsbüro eingerichtet, wo aus polizeilicher Sicht alle Fäden im Zusammenhang mit der Heilig-Rock-Wallfahrt zusammenlaufen. Das Team um Gesamteinsatzleiter Jürgen Schmitt hat den Dauereinsatz „dem Anlass entsprechend“ konzipiert. Im Klartext: Die Wallfahrt 1996 sei ein „sehr friedliches und frohes Ereignis“ gewesen, und auch dieses Mal rechne man mit einem „friedlichen Pilgerfest“.

Landesbeauftragter will sich vor Ort ein Bild machen

Die Pilger werden wohl überwiegend mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Sonderbussen anreisen. Zusätzlich werden neben vielen Individualbesuchern aber auch Fahrrad- und Fußgruppen erwartet. Behinderungen und Einschränkungen aufgrund der Besucherströme werden sich nicht vermeiden lassen, betroffen hiervon wird die gesamte Kernstadt sein. „Um jederzeit einen aktuellen Überblick zur Situation in der Innenstadt zu haben und besonders Störungen, die den Gesamtablauf beeinträchtigen, frühzeitig erkennen und gezielt beseitigen zu können, sollen an verschiedenen Standorten wie dem Domfreihof, der Sternstraße, dem Hauptmarkt und auch beim Palastgarten Kameras installiert werden, die eine Videoüberwachung ermöglichen“, kündigt die Polizei an. Die Kameraüberwachung sei während der Einsatzzeiten im Rahmen der Heilig-Rock-Wallfahrt geplant, konkret also zwischen 7 und 22 Uhr, erläuterte Polizeisprecherin Monika Peters am Dienstag auf Nachfrage. Bei Veranstaltungen wie dem Konzert der Band Frida Gold auf der Bühne im Palastgarten werde die Kameraüberwachung aber auch länger andauern.

Doch noch ist unklar, ob diese Maßnahme umgesetzt werden kann. Denn der Einsatz von Kameras im öffentlichen Raum steht unter dem Vorbehalt des Landesbeauftragten für den Datenschutz, und der hat noch nicht entschieden. „Die Abstimmung dazu ist derzeit noch im Gang, das betrifft insbesondere die Modalitäten der Maßnahme“, so Peters, die sogleich klarstellt: „Solange das Einverständnis nicht vorliegt, wird die beabsichtigte Maßnahme nicht umgesetzt werden“. Auf Anfrage erklärte der Landesbeauftragte am Dienstag gegenüber 16vor, dass ihm das Mainzer Innenministerium ein Videoüberwachungskonzept für den polizeilichen Einsatz „Heilig Rock 2012“ vorgelegt habe. Er beabsichtige nun in den nächsten Tagen „eine örtliche Feststellung in Trier durchzuführen und die Gegebenheiten vor Ort zu prüfen“. Erst nach „abschließender Betrachtung der Gesamtumstände“ werde er seine „datenschutzrechtliche Stellungnahme zur beabsichtigten polizeilichen Videoüberwachung“ abgeben. Bei der Polizei argumentiert man, dass eine Kameraüberwachung der Sicherheit der Pilger und Besucher diene und „personalintensive Einlasskontrollen oder Durchsuchungsmaßnahmen entbehrlich“ mache. Während der Gottesdienste würden die Kameras ausgeschaltet, heißt es weiter.

Vertreter des Chaos Computer Club Trier und der Trierer Piraten kritisieren die geplante Videoüberwachung. „Es ist inzwischen wissenschaftlich
erwiesen, dass Überwachungskameras die Sicherheit eines überwachten Ortes oder einer Veranstaltung nicht gewährleisten können“, heißt es in einer Mitteilung. Im Notfall sei zeitnahes Eingreifen erforderlich, „Kameras gaukeln jedoch Sicherheit nur vor“, so Piraten und Chaos Computer Club. Im Gegenzug stehe der „vermeintliche Gewinn an Sicherheit in keinem Verhältnis zu den Einschränkungen, welche die Besucher und Bewohner aufgrund der Videoüberwachung in Bezug auf den Schutz ihrer Privatsphäre hinnehmen“ müssten. „Wenn die Einsatzplanung von einem friedlichen Fest ausgeht, stellt sich die Frage, warum dann auf derart verschärfte und die Persönlichkeitsrechte der Passanten einschränkende Sicherheitsmaßnahmen zurückgegriffen werden soll“, sagt Petra Ocksendorf, Pressesprecherin des Chaos Computer Club Trier e. V. „Es könnte fast der Eindruck entstehen, dass die Besucher des Pilgerfestes potentielle Terroristen seien, wenn wegen dieses Events die Innenstadt derart überwacht werden soll. Sowohl die Trierer Bürger als auch die Pilger haben ein Recht darauf, dass ihre Privatsphäre auch in der Öffentlichkeit geschützt wird. Die Ausübung des eigenen Glaubens ist eine intime Angelegenheit“, ergänzt Christian Hautmann, Vorsitzender der Piratenpartei Trier. Statt „anhaltsloser Kontrolle“ plädiere man dafür, „eine Atmosphäre des Vertrauens durch persönliche Ansprache zu schaffen und so eine friedliche Wallfahrt zu ermöglichen“.

Nicht nur sicherheitstechnisch, sondern auch verkehrsmäßig stellt die Wallfahrt eine besondere Herausforderung dar: Um die Pilger- und Besuchergruppen, die mit Reisebussen nach Trier kommen, möglichst reibungslos und nah an den Dombezirk zu bringen, wird ein Sonderbusbahnhof in der Weberbach eingerichtet. Die Busse können auf einem eigenen Busparkplatz in den Moselauen abgestellt werden. Für Besucher, die individuell mit dem Auto nach Trier anreisen, werden Park&Ride-Parkplätze in den Moselauen eingerichtet. Dennoch werde es an den besucherstarken Wallfahrtstagen aus Anlass größerer Veranstaltungen und Konzerte sowie bei besonderen Ereignissen zu Verkehrsbeeinträchtigungen in und um Trier kommen, betont die Polizei.

Moselschifffahrt gesperrt, Sonderbusbahnhof in der Weberbach

Ein solches Ereignis steht am 18. April an, wenn der Transport des „Schaffrocks“ auf dem Programm steht.  Das sechs Meter hohe Abbild des Heiligen Rocks aus Eisen soll an diesem Tag per Schiff und Spezialtransporter zum Basilika-Vorplatz gebracht werden. In einer Sternwallfahrt marschieren verschiedene Pilgergruppen zum „Schaffrock“ in den Trierer Hafen, wo es ein gemeinsames Frühstück und einen Gottesdienst mit Bischof Dr. Stephan Ackermann geben wird. Der „Schaffrock“ wird dann auf einen Lastkahn verladen und geschätzte 1.000 Pilger sowie zahlreche Ehrengäste steigen auf eigens gebuchte Personenschiffe um, die auf ihrem Weg zur Anlegestelle von Wasserschutzpolizei und Feuerwehr begleitet werden. Die Schifffahrt auf der Mosel wird in diesem Zeitraum eingestellt. Für 11.30 Uhr ist die Ankunft am Zurlaubener Ufer geplant. Dort wird der „Schaffrock“ auf einen Tieflader umgeladen und in einer Prozession zur Konstantin-Basilika geleitet. Dieser Pilgerzug wird sich im Schritttempo vom Moselufer zur Konstantin-Basilika bewegen. Der Verkehrsfluss in Trier werde hierdurch über die Mittagszeit „erheblich beeinträchtigt“, kündigt die Polizei an.

Eigens für die Heilig-Rock-Wallfahrt wird in der Innenstadt eine Polizeiwache eingerichtet. Die Mitarbeiter des Beratungszentrums, das ohnehin bald geschlossen wird, ziehen aus ihren Räumen in der Palaststraße aus und machen Platz für ihre Kollegen. „Wir wollen die Wache möglichst nah an die Menschen bringen“ so Gesamteinsatzleiter Jürgen Schmitt. Im Zwei-Schicht-Betrieb würden täglich bis zu 60 Beamte für die Belange der Pilger und der Besucher im Dienst sein. Die Polizeiwache wird von 7 bis 22 Uhr durchgehend besetzt sein, bei größeren Abendveranstaltungen durchaus auch länger. Die uniformierten Beamten werden begleitet und unterstützt von Kollegen aus dem benachbarten Saarland sowie aus Luxemburg, Belgien und Frankreich. Unterstützung bekommen die Beamten zudem von der Stadt Trier: Mitarbeiter des Kommunalen Vollzugsdienstes werden während der Heilig-Rock-Wallfahrt ebenfalls in der Palaststraße 8 ihren Dienst tun. Eine der Aufgaben der Polizeiwache werde es sein, die Sicherheit in der Hohen Domkirche, wo der Heilige Rock ausgestellt wird, zu gewährleisten. Das heißt konkret, dass der Dom täglich durchsucht wird.

Auch wenn es derzeit keinerlei Hinweise auf Störungen gebe, sei man auf mögliche „Schadenslagen“ vorbereitet. Die „gedanklichen Vorbereitungen“ reichten von Unglücksfällen über nicht angemeldete Demonstrationen bis hin zu einem Amoklauf, erläutert die Polizei, die während der gesamten Wallfahrt von Beamten der Bereitschaftspolizei des Landes unterstützt wird. Die tägliche Präsenz in Trier, viele besondere Veranstaltungen und zusätzliche Aufgaben machten es erforderlich, dass alle Mitarbeiter zwischen dem 13. April und dem 13. Mai Zusatzdienste und Überstunden erbringen müssten. Denn neben dem Heilig-Rock-Wallfahrtseinsatz gelte es schließlich, die alltägliche Sicherheitsarbeit für die Menschen in der gesamten Region zu gewährleisten.

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