Zirkus zieht mit Zombies

"Crazy White Sean" sorgte mit einer Freak-Show für ungewöhnliche Zirkus-Unterhaltung. Fotos: Christian JörickeMit dem 2011 von ihr gegründeten „Horror Circus“ hat Dana Fischer das („Todes“-)Rad nicht neu erfunden. Die Darbietungen gleichen – bis auf eine Freak-Show – gewöhnlichen Zirkussen, nur die Aufmachung und die Musik sind anders. Mit diesem einfachen Imagewechsel wird jedoch eine völlig neue Zielgruppe angesprochen, die nie einen Fuß in einen normalen Zirkus setzen würde. Im „Horror Circus“, der seit Mittwochabend für fünf Tage im Messepark gastiert, sorgen nicht Kinder und deren Eltern für ein Durchschnittsalter von Anfang 20, sondern junge Erwachsene, die ihrem Alter entsprechend und zeitgemäß unterhalten werden wollen.

TRIER. Aus dem Zelt dringen Laute junger, kreischender Frauen. Zombieartig geschminkte Männer in Kutten, sogenannte Erschrecker, rufen diese hervor. Sie lauern im mit klebrigen Kunstspinnenweben dekorierten Gang auf die passierenden Opfer und fallen dann andeutungsweise über sie her.

Nachdem die 1600 Besucher einen Platz gefunden haben, marschiert die bleichgeschminkte Grusel-Gruppe in die Arena. Ein „Böser Clown“, „Jason“, „Vampire“ und andere „Untote“ bilden das Ensemble. Dressierte Tiere sind keine dabei.

Die Zuschauer bekommen zu Liedern von Rammstein und Horrorfilmmusik gute Artistik geboten: Alexandra verbiegt sich am Luftring, Katja lässt lässig bis zu einigen Dutzend Hula-Hoop-Reifen um ihren Körper kreisen, Tibo jongliert mit Keulen, Fußbällen und brennenden Fackeln und das Duo Taschkenbaev balanciert auf einem Hochseil. Eine Nummer, die krankheitsbedingt ausfallen musste, wird ersetzt durch eine amüsante, aber etwas lange, gefakte Messerwerfereinlage.

Nach der Pause wird die Show temporeicher und spektakulärer – schließlich hat man unter anderem bei „Flic Flac“ schon Artisten mit Kettensägen jonglieren sehen. Die „besessene“ Katja wird in zwei Vertikaltücher „gefesselt“ – leider werden Geschichten zu den Nummern, wenn überhaupt, nur angedeutet -, an denen sie in der Höhe turnt und sich bis kurz vor dem Boden fallen lässt.

Tibo steigert seinen Balanceakt auf dem Rola Rola (einem Brett auf einer Rolle) durch Springseilspringen, Jonglage und die Erweiterung auf sechs auf Bechern liegenden Brettern. Was er mit den Händen kann, beherrscht Gina mit den Beinen und Füßen. Auf dem Rücken liegend lässt sie effektvoll Rollen und als Höhepunkt einen Flammenstern kreisen.

Nach einer nicht nur optisch beeindruckenden Jonglage mit einem großen, würfelförmigen Metallgerüst geht es mit Feuer weiter. Ein „Teufel“ – wer sonst – zeigt eine klassische Feuerschlucker- und Feuerspuckernummer. Besonders daran ist, dass er sehr lange eine kleine Flamme aus seinem Mund brennen lassen kann. Seine Assistentin kann sich darüber eine Zigarette anzünden.

Zum Finale wird das „Wheel of Death“ („Todesrad“) aufgebaut – eine Stahlkonstruktion, die an ihrer Achse aufgehängt ist und sich um diese dreht. An den Enden befindet sich je ein seitlich offener Zylinder. Darin und darauf bewegen sich die „Los Nablinos“ – als Höhepunkt mit einem Springseil und mit verbundenen Augen. Auch das gibt es schon seit Jahren in anderen Zirkussen. Dennoch sind es nicht die Halloween-Party-Outfits, die für weit aufgerissene Augen im Publikum sorgen, sondern die spannenden und gekonnt ausgeführten Darbietungen.

An den Horrormasken liegt es auch nicht, dass die Show erst ab 14 Jahren empfohlen wird. Grund dafür ist „Crazy White Sean“. Der Kalifornier, der 2010 für die angebliche Casting-Show „Das Supertalent“ gebucht wurde (schön auf seiner Homepage nachzulesen), ist ein Freak-Show-Künstler. Seine in der Pressemappe als nicht brutal und unblutig beschriebenen Nummern sind brutal und blutig: Er zerschlägt eine volle Bierdose an seinem Kopf, lässt Kracher im Mund, in der Hand und zwischen den nackten Pobacken explodieren, verbiegt einen Drahtkleiderbügel in einem Loch in der Nasenscheidewand, tackert sich Papier an die Stirn und auf die Zunge, entzündet sich mit den Funken eines Winkelschleifers eine Zigarette und träufelt sich Zitronensaft in die Augen.

Entsetzens- und Ekelschreie entfahren so mancher Dame im Publikum, als sich „Crazy White Sean“ Spritzen durch die Unterarme, den Oberkörper und die Wange stößt, einen Korkenzieher durch das Septum dreht (mit dem er in dieser Position auch eine Weinflasche öffnet), einen Regenwurm durch die Nase einatmet und sich mit Billardkugeln beschwerte Angelhaken an die unteren Augenlider hängt.

Neu sind auch solche Freak-Shows nicht. Seit Jahrzehnten gibt es derartige Nummern beispielsweise bei Tattoo-Conventions zu sehen. Ungewöhnlich ist allerdings, so etwas in einem Zirkus geboten zu bekommen. Und darin liegt der Erfolg des „Horror Circus“, der mit klassischer Akrobatik, Halloween-Verkleidungen und einer Freak-Show ein Publikum anzieht und auch noch begeistert, das sich vor einem traditionellen Zirkus gruseln würde.

„Wollt ihr noch mehr?“, fragt der „Zirkusdirektor“ nach gut zwei Stunden das Publikum, um dann hinzuzufügen: „Dann müsst ihr morgen wiederkommen.“

Weitere Aufführungen: Heute und morgen um 20 und 23 Uhr sowie am Sonntag um 18 Uhr. Einlass jeweils eine Stunde vor der Show. Weitere Infos zum Zirkus finden Sie hier.

 

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