Der Mann hinter der Wende
In den vergangenen Jahren verstärkten die Stadtwerke ihre Anstrengungen in punkto erneuerbare Energien. Dass das Unternehmen inzwischen einen erklecklichen Anteil seines Stroms in dezentralen Anlagen für Wind- und Solarenergie erzeugt, ist auch das Verdienst von Rudolf Schöller. Der Bereichsleiter Erzeugung und Contracting der SWT ist der kreative Kopf hinter vielen Projekten. Sein jüngster Coup sind die Pläne der SWT für ein Pumpspeicherkraftwerk. Wer mit Schöller über Kohleenergie und Atomkraft, Solartechnik und Windenergie spricht, erlebt einen leidenschaftlichen Disputanten, der klar Position bezieht und doch differenziert argumentiert. Im Gespräch mit 16vor wagt der 55-Jährige eine Prognose: Wenn er seinen Ruhestand antritt, werden 50 Prozent des Trierer Stroms aus regional erzeugten erneubaren Energien stammen, ist er sich sicher.
TRIER. Rudolf Schöller lehnt sich zurück. „Das ist auch die Faszination des Technikers“, sagt er jetzt und verweist auf die vor ihm stehende Porzellandose. Die ist gefüllt mit Würfelzucker. Jedes einzelne Stück reiche aus, um den Jahresenergiebedarf eines Einfamilienhauses zu decken, erläutert er – so es sich denn um natürliches Uran und nicht um Zucker handelt. Dass man mit einer so kleinen Menge derart viel Energie erzeugen kann, fasziniert ihn bis heute. Doch weil die Deutschen sich „vor der Verantwortung gedrückt“ hätten, als sie Ende der 1980er Jahre den Bau der umstrittenen Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf stoppten, sehe er für die Atomenergie keine Zukunft mehr.
Schöller, ein Wackersdorf-Fan? So einfach ist es nicht. Doch dass man hierzulande auf eine eigene WAA verzichtete und stattdessen in La Haque und Sellafield wiederaufbereiten lässt, bringt ihn auf die Palme. Schöller redet sich jetzt in Rage, spricht von der „Schrotttechnik“ der britischen Anlage und davon, dass der ganze Strand vor Sellafield abgesperrt sei, weil die WAA das Meer verseucht habe. Natürliches Uran sei endlich, die Vorräte reichten nur noch für einige Jahrzehnte, schon deshalb müssten Alternativen her. Einen Atomkraftgegner mag er sich nicht nennen, aber „ich will mich stark machen, dass was anderes da ist“.
Vor einem Vierteljahrhundert kam Schöller zu den Stadtwerken. Er hat sich hoch gearbeitet, wie man so schön sagt. Mit 14 Jahren, nach der Volksschule, ging er zunächst zu RWE in die Lehre. Der Föhrener, der noch heute in seinem Elternhaus wohnt, machte den Meister, über die Fachoberschule holte er das Fachabitur nach. Sein damaliger Chef habe ihn dazu überredet, zu studieren. So wurde Schöller Ingenieur, und weil ihm die SWT das bessere Angebot gemacht hätten, sei er zu dem Unternehmen gestoßen. „Bei den Stadtwerken musst du lernen, aus einem Deckel eine Dose zu machen“, sagt er, doch anders als in einem Konzern habe er hier Gestaltungsmöglichkeiten gesehen.
Es sollten noch einige Jahre vergehen, bis sich Schöller zu einer Art „Sonnenkönig“ der SWT entwickelte. Dass die Stadtwerke eigenen Strom erzeugen, stand viele Jahrzehnte nicht zur Debatte: 1927 hatte sich das Unternehmen gegenüber RWE vertraglich verpflichtet, auf die Produktion von Strom zu verzichten, erst mit der Liberalisierung des Marktes Ende der 1990er Jahre taten sich neue Möglichkeiten auf. So entstand 1998 das erste Blockheizkraftwerk am Brüderkrankenhaus. Doch das Engagement des Unternehmens in Sachen erneuerbare Energien ließ weiter auf sich warten. Schöller, der nicht eben zu Pathos neigt, spricht von einem „historischen Wendepunkt“, der noch keine fünf Jahre zurückliegt. Viele Faktoren seien seinerzeit zusammen gekommen, erläutert er. Dass der Stadtrat im Zuge der heftigen Diskussion um die Beteiligung der SWT an einem Kohlekraftwerk zumindest einen der beiden Anträge des Bündnisses für Erneuerbare Energien Trier (BEET) unterstützte, sei „ein Glücksfall“ gewesen. Schließlich verpflichteten sich die Kommunalpolitiker damit, darauf hinzuwirken, dass die Stadtwerke 50 Prozent des Strombedarfs aus in der Region erzeugten erneuerbaren Energien erzeugen. Alle Projekte auf diesem Gebiet seien politisch einhellig unterstützt worden, allen voran OB Klaus Jensen (SPD) habe nach Mehrheiten gesucht und den neuen Kurs des Unternehmerns unterstützt.
Schöller ist optimistisch, dass das 50-Prozent-Ziel erreicht wird — spätestens bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand. Bis dahin dürften ihm und seinen Kollegen noch einige Projekte einfallen. Mit Hochdruck arbeiten er und sein Team derzeit an einem Vorhaben, das alle bisherigen Dimensionen sprengen würde: das geplante Pumpspeicherkraftwerk. Ende Juni wurde das Genehmigungsverfahren bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord offiziell eröffnet, doch bis zu einer möglichen Baugenehmigung werden noch einige Jahre ins Land gehen.
Dass einer wie Schöller auch sein eigenes Haus energetisch auf Vordermann brachte, liegt nahe: Wärmedämmung, neue Fenster, eigene Solaranlage auf dem Dach, und in diesem Jahr soll noch eine neue Wärmepumpe hinzukommen. Stolz ist der 55-Jährige aber auch darauf, dass seine vier Söhne allesamt seinem Beispiel folgten: In Föhren haben sie die Schoenergie GmbH gegründet, drei der vier Kinder Schöllers sind aktiv im Unternehmen beschäftigt, der vierte, der noch zur Schule geht, ist ebenfalls beteiligt. Der Schwerpunkt der Firma: Die Planung und Installation von Photovoltaikanlagen.
von Marcus Stölb