„Das Geld hätten wir besser in die Mosel geworfen“
Dass sich ein Großteil der Trierer Straßen in einem desolaten Zustand befindet, ist keine Neuigkeit. Dass ihre Sanierung enorme Summen kosten würde, war ebenso bekannt. Dank eines von der Gesellschaft für Straßenanalyse (GSA) erstellten Zustandskatasters gibt es aber nun konkretere Informationen über das rund 570 Kilometer lange Straßen- und Wegnetz der Moselstadt. Ergebnis: Bei 49 Prozent des gesamten Netzes wurde der „optimale Eingreifzeitpunkt“ bereits verpasst. Einer Schätzung der GSA zufolge benötigt die Stadt in den nächsten zehn Jahren mindestens 100 Millionen Euro für die Sanierung ihrer Straßen und Wege. Wie Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani am Mittwochabend berichtete, flossen in den vergangenen drei Jahren allein mehr als 90.000 Euro in Reparaturen an der Loebstraße, deren Ausbau sich aufgrund von Auseinandersetzungen mit einigen Anliegern weiter verzögert.
TRIER. Die Berliner Allee ist ein unschönes Beispiel: Die Verbindungsstraße zwischen dem Mariahof und Heiligkreuz war schon vor etlichen Jahren in einem beklagenswerten Zustand, Rat und Verwaltung hatten sie deshalb längst sanieren lassen wollen. Doch einmal mehr fehlte das Geld, und so verschwand die Maßnahme wieder aus dem Haushalt. Nicht, dass die Stadt inzwischen mehr Geld hätte, doch nun führt an einer Erneuerung der Fahrbahndecke kein Weg mehr vorbei, weshalb der Stadtrat schon in seiner nächsten Sitzung einen entsprechenden Beschluss fassen will.
Thomas Albrecht kennt die Berliner Allee bestens, der CDU-Stadtrat passiert die Strecke täglich – mit dem Fahrrad ebenso wie mit Bus und Auto. Als Michael Simon von der GSA am Mittwochabend vor dem Bauausschuss seinen Bericht beendet hatte, war für den Unionsmann klar: “ Das ist ja wirklich aberwitzig“. Der Rat vertage eine Sanierungsmaßnahme nach der anderen, weil der Stadt das Geld fehle und sie sehen müsse, dass der Haushalt noch genehmigt werde, und hinterher müsse der Steuerzahler deutlich mehr berappen. Albrecht regte an, mit der Kommunalaufsicht über die Gewährung eines Sonderkredits zu verhandeln, wenn offenkundig sei, dass eine frühere Sanierung nicht nur günstiger komme, sondern der öffentlichen Hand und auch den Anliegern spätere Mehrbelastungen ersparten.
Je später, umso teurer – auf diesen Nenner lässt sich das Dilemma der Stadt in Sachen Straßensanierungen bringen. Nun wurde das Problem mit neuen Zahlen untermauert. Die GSA lieferte im Auftrag des Rathauses ein umfassendes Zustandskataster, das zeigt: In fast der Hälfte der Straßen und Wege Triers wurde der „optimale Eingreifzeitpunkt“ bereits verpasst. Ist dieser Zeitpunkt verpasst, schnellen die Kosten für eine Sanierung des Straßenbelags in die Höhe – von 35 Euro pro Quadratmeter auf 65 und mehr. Irgendwann bleibt nichts anderes mehr übrig, als die gesamte Straße auszubauen.
Derartiges ist bekanntlich seit einigen Jahren für die Loebstraße vorgesehen, doch weil einige Anlieger gegen die Planungen der Verwaltung Sturm laufen – vor allem, weil diese auch die Anlage eines Fahrradwegs vorsehen – verzögert sich der Baubeginn weiter. Allein in der Loebstraße habe man in den vergangenen drei Jahren mehr als 90.000 Euro in Reparaturen der Asphaltdecke stecken müssen, berichtete die Baudezernentin am Mittwochabend, nur so habe man noch halbwegs die Verkehrssicherheit gewährleisten können. „Das Geld hätte man besser in die Mosel geworfen, dann hätte man es wenigstens schwimmen gesehen“, macht Kaes-Torchiani einmal mehr ihrem Ärger über die Verzögerung des Baubeginns Luft.
Nach der Sommerpause will die Verwaltung nun auf der Basis des GSA-Zustandskatasters eine Prioritätenliste vorlegen, aus der hervorgehen soll, welche Straßen in den nächsten fünf Jahren vorrangig saniert werden sollten. Hierbei werde der Aspekt der Wirtschaftlichkeit eine bedeutsame Rolle spielen, so Kaes-Torchiani. Dann sei es am Rat, zu entscheiden und auch die entsprechenden Haushaltsmittel einzuplanen. Die Baudezernentin machte indes noch einmal klar, dass sie deutlich mehr Unterstützung vom Land erwartet: Ohne zusätzliche Hilfe aus Mainz lasse sich die Herausforderung nicht stemmen, Rheinland-Pfalz solle sich hierbei ein Beispiel am Nachbarbundesland Hessen nehmen. Dort habe die Landesregierung ein Sonderprogramm infolge der Winterschäden aufgelegt. Eigentlich bräuchte die Stadt Trier rund 1,30 Euro pro Quadratmeter für die Instandhaltung von Straßen und Wegen, tatsächlich steht ihr aktuell gerade mal 51 Cent zur Verfügung.
Rainer Lehnart (SPD) erwartet, dass das Zustandskataster die politische Diskussion über notwendige Sanierungsmaßnahmen nachvollzieher machen wird. Selbstkritisch räumte er ein, dass lange Zeit derartige Projekte eher nach dem „Zufallsprinzip“ beschlossen worden seien. Anja Matatko von den Grünen verlangte derweil, dass auch der vom Stadtrat beschlossene „Modal Split“, der eine Stärkung des Umweltverbunds vorsieht, bei der Prioritätensetzung berücksichtigt werden müsse. Dem hielt Thomas Albrecht entgegen, dass die Sanierung einer Straße ohnehin auch Radfahrern zugute komme.
Hans-Willi Triesch (SPD) zeigte sich unterdessen erschrocken von den Zahlen, die GSA-Mann Simon präsentiert hatte – das sei ihm in dieser Dimension nicht klar gewesen, räumte der Zewener ein. Anders Unionsmann Udo Köhler, der meinte: „Ich bin gar nicht überrascht“. Köhler wollte von Simon wissen, wie denn Trier im Vergleich zu anderen von der GSA untersuchten Städten dastehe: „Eher am unteren Rand“, musste der Fachmann bestätigen, was Einheimische von auswärtigen Besuchern ohnehin regelmäßig zu hören bekommen: dass die Trierer Straßen besonders schlecht sind.
von Marcus Stölb