Abfindung für NS-Verbrecher
MÜNCHEN. Der Bundesnachrichtendienst hat einem ehemaligen Trierer Gestapo-Angehörigen und Kriegsverbrecher in den 60er Jahren eine hohe Abfindung gezahlt. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung.
Unter dem Titel „Der Unersetzliche“ berichtet das Blatt in seiner Samstagsausgabe über den Fall Carl Theodor Schütz. Der 1907 in Mayen geborene Jurist arbeitete von 1934 bis 1939 für die Gestapo in Trier, die im Gebäude der ehemaligen Reichsbahndirektion untergebracht war. Dann wechselte Schütz nach Lodz – zur „Spionageabwehr“, wie es hieß. Später setzte er seine NS-Verbrecherkarriere in Italien fort. Im Süden Roms war Schütz laut SZ 1944 auch an einem mehrstündigen Massaker beteiligt, bei dem 335 italienische Geiseln hingerichtet wurden. Trotz der Verbrechen in den Ardeatinischen Höhlen machte Schütz in der Bundesrepublik Karriere – in der „Organisation Gehlen“, aus der später der Bundesnachrichtendienst hervorging.
Die Süddeutsche Zeitung schildert, wie es NS-Verbrechern gelingen konnte, nur wenige Jahre nach dem Krieg für den Bundesnachrichtendienst zu arbeiten. Dabei habe Schütz nicht „nur“ als Zuträger, sondern als hauptamtlicher Agentenführer des BND fungiert. Reinhard Gehlen vermochte es, bei Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) die Beschäftigung ehemaliger Gestapo-Angehöriger durchzusetzen. Das Blatt zitiert aus einem Schreiben Gehlens an Adenauers rechte Hand, Staatssekretär Hans Globke: Die ehemaligen Beamten der Gestapo seien die „einzig kriminalistisch geschulten Beamten (…), die die Gewohnheit des Umgangs mit intelligenten Gegnern haben, wie sie im Kreise der Kriminellen regelmäßig nicht anzutreffen sind“. Der Kanzler haben zwar „erhebliche sittliche Bedenken“ geäußert, dann aber „unter dem Gesichtspunkt der Unentbehrlichkeit bestimmter Beamter“ seine Bedenken zurückgestellt.
Schütz war nicht verbeamtet worden. Als BND-Mitarbeiter dann Hinweise gefunden hatten, dass er in seiner Trierer Zeit nicht nur in der „Spionageabwehr“ zum Einsatz kam, sondern auch in der innenpolitischen Abteilung II, sei es auch dem westdeutschen Geheimdienst unwohl geworden, schreibt SZ-Autor Malte Herwig. Der BND kündigte Schütz 1964, doch der wehrte sich laut dem Bericht erfolgreich vor Gericht und erstritt noch eine Abfindung von 70.000 Deutsche Mark, rund 35.000 Euro.
von Marcus Stölb