„Gezielte Grenzüberschreitungen“

TRIER. In einem Brief an den Polizeipräsidenten, den Ordnungsdezernenten sowie die Mitglieder des Stadtrats üben mehrere Trierer Verbände, Initiativen und Parteien scharfe Kritik am Umgang der Behörden mit Aktivitäten der rechtsextremistischen NPD.

Der Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Schömann,
sehr geehrter Herr Egger,
sehr geehrte Ratsmitglieder,

wir nehmen die Ereignisse im Rahmen der NPD Kundgebungen am 01.02. in Trier zum Anlass, uns mit einem offenen Brief an die Stadtverwaltung, die Polizei und den Stadtrat zu wenden.

Bereits seit Anfang letzten Jahres verfolgt die NPD in Trier das Konzept, Kundgebungen über ganze Tage und die ganze Stadt verteilt anzumelden, ohne einen Ablaufplan anzugeben, der festlegt, um wie viel Uhr und wie lange sie an welchem Platz eine Kundgebung abhalten werden und ohne die ernsthafte Absicht, alle davon durchführen zu wollen.

Dies ist nach unserer Einschätzung Teil einer systematisch verfolgten Strategie, durch gezielte Provokationen und Grenzüberschreitungen die Grenzen dessen auszuloten, was in Trier möglich ist und was nicht. Dazu gehört auch das Entzünden von Fackeln vor der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in der Dasbachstraße. Das Ziel dieser Strategie ist es außerdem den zivilgesellschaftlichen Gegenprotest zu erschweren bzw. zu verhindern.

Ist es möglich, diesem Missbrauch des Versammlungsrechts stärker mit Auflagen des Ordnungsamtes oder durch polizeiliche Maßnahmen zu begegnen? Bei Kundgebungen wie am 01.02. entsteht der Eindruck, als stünde die Polizei für Safet Babic auf Abruf bereit, da sie seine Kundgebung genau dann zu schützen beginnt, wenn er sich entschließt zu starten. Solche Vorgehensweisen stoßen in der Öffentlichkeit auf großes Unverständnis. Für uns stellt sich daher die Frage, wie die Polizei in solchen Fällen erfährt, wann und wo die NPD mit ihrer Kundgebung beginnt. Kann hier eine Situation entstehen, in der die NPD bereits Kundgebungen abhält, ohne dass die Polizei vor Ort ist und so eine Gefahr für die Bevölkerung entsteht?

Dass von Seiten der Neonazis Straftaten begangen werden, wurde am 01.02. deutlich, als es zu einem Angriff von verspätet eintreffenden Neonazis auf Protestierende kam. Die Taktik der sogenannten „Sturmdivision Saar“, eine Gegendemonstration aus dem Hinterhalt an dieser Stelle und an diesem Ort aus genau dieser Richtung anzugreifen, ist nicht neu. Für uns ist es völlig unverständlich, dass die Polizei, nachdem es dasselbe Szenario im Sommer 2013 bereits gab, dies offensichtlich nicht als potentielle Gefahr erkannt hat. Hätte die Polizei die Kundgebung der NPD aufgrund dieses Angriffes an der Porta Nigra abbrechen können?

Wenn es an dieser Stelle schon nicht zum Abbruch der Nazikundgebung kam: Warum wurde den übergriffig gewordenen Nazis die weitere Teilnahme an der NPD-Kundgebung ermöglicht? Personen, die bereits an der Porta Nigra Menschen angegriffen hatten, konnten so im weiteren Verlauf mit brennenden Fackeln vor die Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende ziehen.

Im Zusammenhang mit dem Auflagebescheid für die Kundgebungen am 01.02. stellen sich für uns zwei Fragen: Gab es eine rechtliche Prüfung um festzustellen, ob der Aufzug der NPD vor der AfA hätte untersagt werden können? Gab es eine rechtliche Prüfung, ob das Mitführen von Fackeln hätte untersagt werden können? Da das Mitführen von Fackeln selbst bei Martinsumzügen in der Regel aus Sicherheitsgründen untersagt ist, fällt es uns schwer nachzuvollziehen, dass dies hier nicht möglich gewesen sein soll. Auch wenn das Ordnungsamt in diesem Fall den Einsatz von Fackeln nicht untersagt hat, hätte der Einsatzleiter der Polizei das Löschen der Fackeln zur Gefahrenabwehr verlangen können. Wir erwarten, dass sich Ordnungsamt und Polizei ihrer jeweiligen Verantwortung stellen, anstatt diese gegenseitig auf die entsprechend andere Behörde abzuschieben.

Wir haben den Eindruck, dass seitens der Behörden nicht die hetzenden und schlagenden Neonazis, sondern die Menschen, die sich mit Mut und Zivilcourage dieser Form der Menschenverachtung in den Weg stellen, als das eigentliche Problem angesehen werden. Uns erscheint es unverhältnismäßig, dass gewaltbereite Nazis weiter demonstrieren dürfen, während gleichzeitig gegen eine kleine Gruppe von Menschen, die nicht hinnehmen will, dass diese mit Fackeln vor der AfA aufmarschieren, mit Pfefferspray vorgegangen wird. Besonders unverständlich ist auch, dass durch die veröffentlichte Pressemitteilung der Eindruck entstehen konnte, die Gewalt sei von den GegendemonstrantInnen ausgegangen.

Unter diesen Umständen ist es im Sinne eines gewaltfreien, bunten Protestes sehr schwierig, deeskalierend und konstruktiv auf VersammlungsteilnehmerInnen einzuwirken, da sich die Rahmenbedingungen als nachteilig für den demokratischen Gegenprotest darstellen.

Es entsteht bei vielen engagierten Gruppen und BürgerInnen der Eindruck eines Klimas der Ignoranz und des Desinteresses gegenüber dem Treiben von RassistInnen und FaschistInnen in Trier. Es ist die Aufgabe der Politik, dieses Klima zu verändern. Wir erwarten vom Stadtrat und den RepräsentantInnen der Stadt eine engagierte Auseinandersetzung mit dem Thema und die Beteiligung an den stattfindenden Protesten.

Mit freundlichen Grüßen

Hermann Anell für die Arbeitsgemeinschaft Frieden
Tamara Breitbach, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen Trier
Bündnis 90/Die Grünen, Stadtverband Trier
Marcus Heintel, DGB Region Trier
Die LINKE Trier-Saarburg
DKP Trier
Für ein buntes Trier, gemeinsam gegen Rechts e.V.
Jusos Trier
Jusos Trier-Saarburg
Katrin Werner MdB
Katholische Studierende Jugend, Diözesanverband Trier
Linke Liste der Universität Trier
Linksjugend [´solid] Region Trier
Multikulturelles Zentrum Trier e.V.
Piratenpartei Deutschland, Kreisverband Trier/Trier-Saarburg
SPD Trier

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