Aly liest im Trierer Ärztehaus
TRIER. Die Bezirksärztekammer Trier lädt zu einer Autorenlesung mit Götz Aly ein. Der Historiker und Politikwissenschaftler liest am 12. September aus seinem Buch „Die Belasteten. ‚Euthanasie 1939-1945‘ Eine Gesellschaftsgeschichte“.
Heutigen Schätzungen zufolge ist von den erwachsenen Deutschen jeder achte direkt mit einem Menschen verwandt, der zwischen 1940 und 1945 ermordet wurde, weil er psychisch krank oder behindert war. Die damals Beteiligten beschönigten das Verbrechen als „Erlösung“, „Gnadentod“, „Lebensunterbrechung“, „Euthanasie“ oder „Sterbehilfe“. Nicht wenige Angehörige fühlten sich nach dem stillen, halb geheimen Verschwinden ihrer hilfsbedürftigen Nächsten erleichtert – der Staat hatte eine Lebenslast von ihnen genommen. Die meisten Familien schwiegen hernach; viele schämten sich, die Namen der Opfer zu nennen.
Erst heute löst sich der Bann. Langsam tauchen jene Vergessenen wieder auf, die sterben mussten, weil sie als verrückt, lästig oder peinlich galten, weil sie unnormal, chronisch krank, gemeingefährlich, arbeitsunfähig oder pflegebedürftig waren, weil sie ihre Familie mit dem Makel „erbkrank“ belasteten. Götz Aly beschreibt, wie die Euthanasiemorde in der Mitte der deutschen Gesellschaft als öffentlich bekanntes Geheimnis vonstattengingen. Er lässt die Opfer sprechen, zeigt, wie sich die Anverwandten verhielten und wie Ärzte das Töten in den therapeutischen Alltag übernahmen und zugleich reformerische Ziele verfolgten.
Götz Aly, 1947 in Heidelberg geboren, studierte Politische Wissenschaft und Geschichte. Er arbeitete für die taz, die Berliner Zeitung und als Gastprofessor. Seine Bücher werden in viele Sprachen übersetzt. 2002 erhielt er den Heinrich-Mann-Preis, 2003 den Marion-Samuel-Preis, 2012 den Ludwig-Börne-Preis. Zuletzt veröffentlichte er „Warum die Juden? Warum die Deutschen? Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800-1933“ (2011).
Die Veranstaltung mit Aly am Donnerstag, 12. September, beginnt um 19 Uhr im Ärztehaus Trier (Balduinstraße 10-14).
von 16vor
