Wallfahrt auf der Zielgeraden

Am Sonntagabend endet die erste Heilig-Rock-Wallfahrt in diesem Jahrtausend. Nach Lage der Dinge wird die angepeilte Besucherzahl von einer halben Million übertroffen. Doch das war nicht der einzige Grund, weshalb Bischof Stephan Ackermann sowie der Leiter und der Geschäftsführer der Wallfahrt, Monsignore Georg Bätzing und Wolfgang Meyer, am Freitag eine durchweg positive Bilanz des Großereignisses zogen. Ackermann sprach von einer „Wallfahrt mit weltkirchlichen Dimensionen“, von allen Kontinenten seien Pilger gekommen. Der Bischof zeigte sich beeindruckt von den vielen großen und kleinen Veranstaltungen, die er in den vergangenen Wochen besuchte. Einen Besuch stattete er am Donnerstagabend auch dem schwul-lesbischen Zentrum Trier, kurz SCHMIT-Z ab.

TRIER. Von Erschöpfung keine Spur. Bester Laune absolvierte Stephan Ackermann am Freitagvormittag die Bilanzpressekonferenz zur Heilig-Rock-Wallfahrt. „Wir sind noch gut drin“, begann der Bischof sein Statement; es klang, als würde er die „vierwöchige Festzeit“, wie er die Wallfahrt nannte, am liebsten verlängern wollen. Für den 49-Jährigen ist das Ereignis indes schon jetzt ein voller Erfolg, den er nicht ausschließlich an Zahlen festmacht. „Von fast allen Kontinenten kamen Menschen nach Trier“, berichtete der Bischof, „der geographische Radius der Wallfahrt war eindeutig weiter als 1996“. Nur aus Australien sei ihm niemand begegnet. „Mir schon“, warf da der neben ihm sitzende Monsignore Georg Bätzing amüsiert ein. Woraufhin Ackermann die Pressevertreter bat: „Dann streichen Sie das ‚fast‘ vor ‚allen Kontinenten'“.

Bis Donnerstagabend kamen laut Wallfahrtleiter Bätzing rund 485.000 Menschen in den Dom, um einen Blick auf den Heiligen Rock zu werfen. Auch wenn es Menschen gegeben haben soll, die gleich mehrfach zum Schrein pilgert – die Besucherresonanz kann sich sehen lassen, auch gemessen an den mehr als 700.000 Menschen, die 1996 gezählt wurden. Denn in den 16 Jahren dazwischen sind hierzulande Hunderttausende vom Glauben abgefallen, haben der Kirche den Rücken gekehrt oder ihre Verbindung zur Institution verloren. Die Entkirchlichung ist stetig fortgeschritten, wie der Besuch eines sonntäglichen Gottesdienstes deutlich macht. Anders in den vergangenen Wochen im Dom: Beim täglichen Abendlob war die älteste Bischofskirche Deutschlands oft bis auf den letzten Platz besetzt, mussten viele stehen. Bei besonderen Ereignissen wie dem Taizé-Gebet war der Dom völlig überfüllt. Und auch in der Basilika, beim ökumenischen Mittagsgebet, fanden viele Menschen zusammen.

Insgesamt verlief die Wallfahrt erstaunlich unaufgeregt. Das von manchen befürchtete Verkehrschaos blieb aus, selbst als an einigen Tagen 200 und mehr Reisebusse Trier ansteuerten und Zehntausend Pilger zum Domfreihof marschierten. Fast 2.400 ehrenamtliche Helfer waren in den vergangenen Wochen im Einsatz. In insgesamt 19 Bereichen, von der Pilgerbegleitung bis zum Sprachendienst, stellten sie nicht weniger als 116.235 Stunden in den Dienst der Wallfahrt, bezifferte Geschäftsführer Wolfgang Meyer am Freitag und lobte den großen Idealismus der Beteiligten. Dass über weite Phasen der Wallfahrt bescheidene Wetter habe den meisten Helfern die Stimmung nicht verhageln können, stellte Meyer fest. Dabei war man auf Motivationstiefs durchaus vorbereitet, hatte sich unter anderem mit Schokolade gegen mögliche Frustattacken gewappnet.

Frust gab es anfangs bei vielen Geschäftsleuten. Nachdem einige Läden teils massive Umsatzeinbußen verzeichneten, schlugen die Händler Alarm. Das Ganze habe sich aber wieder rasch entspannt, erklärte Alfred Thielen, Geschäftsführer des Trierer Einzelhandelsverbands, nun auf Anfrage. Nachdem die Stadt die Verkehrsregelungen etwas gelockert hatte und das von nicht wenigen befürchtete Chaos auf Triers Straßen ausblieb, kam auch wieder die Kundschaft. Dass die Mitte April weg blieb, sei ohnehin nicht nur der Wallfahrt, sondern auch dem miesen Wetter geschuldet gewesen, räumte Thielen jetzt ein. Das habe ein Vergleich mit der Situation in anderen Städten gezeigt.

„Ich kehre anders zurück, als ich gekommen bin“, hätten ihm gegenüber zahlreiche Pilger berichtet, erklärte derweil Bätzing. Der Monsignore ist überzeugt, dass das Bistum mit der Wallfahrt ein „zeitgemäßes kirchliches Ereignis“ bot. Der künftige Generalvikar wie auch Ackermann unterstrichen die Bedeutung der Ökumene, die in den vergangenen vier Wochen täglich präsent gewesen sei. Man sei dem Motto der Wallfahrt – „und führe zusammen, was getrennt ist“ – in vielfacher Hinsicht gerecht geworden. Am Vorabend der Pressekonferenz hatte der Bischof noch eine besondere Einladung angenommen und das „Café zur Toleranz“ des schwul-lesbischen Zentrums SCHMIT-Z besucht. Eine Stunde nahm er sich für das Gespräch Zeit, von einer „freundlichen Atmosphäre“ sprach SCHMIT-Z-Geschäftsführer Alex Rollinger im Anschluss.  Er und die weiteren Initiatoren hätten auf die Situation homosexueller Menschen hingewiesen, die in kirchlichen Einrichtungen arbeiten und sich verpartnern wollten. Während der Bischof deutlich machte, dass Schwule und Lesben in ihrer Würde zu respektieren seien, drohen ihnen bei einer Verpartnerung durchaus Konsequenzen ihres Dienstherrn. „Der Bischof ließ erkennen, dass er um diese Situation weiß“, so Rollinger, der nun hofft, dass die Gespräche vertieft werden können. Dass Ackermann die Einladung annehmen würde, damit hatten viele im SCHMIT-Z nicht gerechnet.

Nun rüsten die Verantwortlichen für das letzte Wallfahrtswochenende. Am Sonntagabend um 18 Uhr wird es zum offiziellen Abschluss eine Vesper im Dom geben. Mit Pauken, Trompeten und Händels „Halleluja“ aus dem „Messias“ wird die Feier ausklingen. Wann der Schrein verhüllt wird, ist indes noch offen. Man wolle allen Menschen, die am letzten Tag eigens nach Trier kommen, Gelegenheit geben, noch zur Reliquie zu pilgern, so Bätzing. Unterdessen freuen sich die ersten Gläubigen schon auf die Heilig-Rock-Wallfahrt im nächsten Jahr. Ihn hätten schon einige Menschen angerufen und ihr Kommen für 2013 angekündigt, weil sie es dieses Jahr zeitlich nicht geschafft hätten, berichtet der Geschäftsführer der Wallfahrt.

Doch nach Lage der Dinge dürfte noch einige Jahre und sogar Jahrzehnte ins Land gehen, bis das Bistum die Tunika Christi wieder aus dem Schrein holt. In den nächsten zwanzig Jahren scheint eine erneute Wallfahrt nicht zu erwarten. Das Ereignis leben auch davon, dass es so selten stattfindet, so Bischof Ackermann.

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