„Im Letzten wissen wir es nicht“

Morgen in 100 Tagen beginnt die erste Heilig-Rock-Wallfahrt in diesem Jahrtausend. Dann dürfte Trier für vier Wochen wieder Kopf stehen. Denn auch wenn aller Voraussicht nach weniger Pilger als zu den vorangegangenen Wallfahrten anreisen werden, wird das kirchliche Großereignis Hunderttausende in die Moselstadt locken. Eine Messlatte möchte Monsignore Dr. Georg Bätzing nicht nennen. Wer kommt, sei willkommen – ob als gläubiger Christ oder interessierter Tourist. Schon Ende des Monats wird es im Robert-Schuman-Haus ein hochkarätig besetztes Ökumenisches Forum geben, der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider und Kurienkardinal Kurt Koch haben ihr Kommen zugesagt. Derweil lässt die eigentlich von allen erwartete Absage des Papstes auf eine Einladung von Bischof Stephan Ackermann noch immer auf sich warten.

TRIER.  Man liege „gut im Zeitplan“, berichtete dieser Tage Jan Leven. Der Künstler hat den Schrein entworfen, in dem die „Tunika Christi“ zwischen dem 13. April und 13. Mai gezeigt werden soll. Gemeinsam mit den Mitarbeitern der Domschreinerei arbeitet Leven an dem Werk aus Zedernholz, schon Ende Januar soll der Schrein fertig sein. Unter einer gut 300 Kilogramm schweren Glasplatte wird der Heilige Rock dann ab dem 13. April zu sehen sein.

Im und vor dem Dom dürften sich dann wieder lange Schlangen bilden. So war es zumindest 1996, als die Reliquie zuletzt gezeigt wurde. Wallfahrtsleiter Georg Bätzing kann sich noch gut an die damaligen Pilgerströme erinnern. Trier war in einer Art geregeltem Ausnahmezustand: Chaos blieb zwar aus, doch die Erwartungen des Bistums wurden übertroffen. So hatte man am ersten Tag mit rund 5.000 Besuchern gerechnet, tatsächlich seien dann aber 30.000 gekommen, berichtet Bätzing.

Der Monsignore hätte also Gründe, angespannt zu sein. Doch von Stress lässt sich der Monsignore auch kaum mehr als 100 Tage vor der Wallfahrt nichts anmerken. Vorfreudig entspannt berichtet er im Gespräch mit 16vor von dem anstehenden Großereignis, nimmt sich mehr Zeit, als geplant. Und natürlich darf auch in diesem Gespräch eine Frage nicht fehlen: Wie es denn um die Echtheit des Gewands bestellt sei? „Es gibt eigentlich keine Veranstaltung, bei der ich nicht darauf angesprochen werde“, kontert Bätzing freundlich und sagt ernst: „Ich möchte seriös antworten: Im Letzten wissen wir es nicht“. Im Programmheft für die Heilig-Rock-Wallfahrt findet sich eine ebenso hübsche wie viel sagende Formulierung: Die Geschichte der Reliquie sei „ein Gewebe aus Legenden und Überlieferungen“, heißt es dort. Bätzing sagt: „Wir benennen, was wir an Fakten kennen, aber dann muss jeder für sich entscheiden, welche Bedeutung die Reliquie für ihn hat“.

Mit der Frage nach der Echtheit des angeblich letzten Gewandes Christi hatte man sich schon 1996 nicht groß aufgehalten. Der damalige Bischof Hermann-Josef Spital stellte stattdessen die Symbolik des ungeteilten Gewandes heraus –auch als Sinnbild der „ungeteilten Christenheit“, von der nach Reformation und Schisma bekanntlich nicht die Rede sein kann. „Und führe zusammen, was getrennt ist“, lautet das Motto der Wallfahrt 2012. Ein besonderer Akzent soll auf die Ökumene gesetzt werden, bereits Ende Januar und Anfang Februar wird es ein hochkarätig besetztes Internationales Ökumenisches Forum geben.  Zu der Veranstaltung im Robert-Schuman-Haus haben sich unter anderem der Vorsitzende des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, sowie der römische Kurienkardinal Kurt Koch angesagt.

Warten auf die Absage

Ob aus Rom noch höherer Besuch kommt? Auch mit dieser Frage wird Bätzing immer wieder konfrontiert, seit Bischof Stephan Ackermann im Februar 2010 den Papst einlud. Die Einladung hatte er persönlich überbracht, doch eine klare Rückmeldung aus dem Vatikan steht auch wenige Monate vor der Wallfahrt noch aus, weshalb Bätzing nicht viel mehr übrig bleibt, als kurz und knapp den aktuellen Sachstand zu referieren: „Der Papst hat weder zu- noch abgesagt“. Tatsächlich rechnet nahezu niemand damit, dass der Pontifex nach Trier pilgern könnte. Benedikt XVI. kam gewissermaßen zu früh, als er schon im vergangenen September in Deutschland weilte. Vier Jahre zuvor war Joseph Ratzinger schon einmal in seiner Funktion als Papst in Deutschland – da besuchte er den Wallfahrtsort Altötting, der ihn bei der Gelegenheit auch gleich zum Ehrenbürger ernannte. Davon ist man in Trier weit entfernt, doch dass Benedikts Kurie noch immer nicht unmissverständlich abgesagt hat, verwundert doch einige.

Würde er sich wider Erwarten doch noch zu einer Heilig-Rock-Visite entschließen, hätte Bätzing wohl ein Problem. Er selbst würde das so natürlich nicht sagen, nicht einmal andeuten. Käme der Papst, würde Triers katholische Kirche Himmel und Erde in Bewegung setzen, um ihm einen großen Empfang zu bereiten. Doch auch so ist die Herausforderung enorm, auch wenn der Wallfahrtsleiter die Messlatte nicht zu hoch hängen will. Mit wie vielen Pilgern er rechnet, lässt er bewusst offen – so etwas lasse sich schwer vorher sagen, gibt er zu bedenken. 1996 etwa hätten sich lediglich 160.000 Menschen in Gruppen angemeldet, am Ende kamen mehr als 700.000. Doch inzwischen seien auch 16 Jahre vergangen, die Welt sei nicht mehr dieselbe wie damals. Hinzu kommt: Aufgrund des Missbrauchsskandals steckt die Kirche nach wie vor in einer schweren Krise. Bätzing hofft zwar, dass die Wallfahrt den Blick wieder auf die eigentlichen Inhalte lenken wird, doch macht er auch deutlich, dass die Missbrauchsthematik garantiert nicht ignoriert werde. Die Katholische Studierende Jugend (KSJ) in der Diözese Trier hatte schon die Losung ausgegeben, dass der „Heilige Rock“ nicht zum „Mantel des Schweigens“ werde dürfe.

Was den möglichen Ansturm anbelangt, sagt Bätzing nur soviel: „Für eine halbe Million Pilger müssen wir gerüstet sein“. Hierfür benötige man rund 2.500 Helfer, 1.300 Ehrenamtliche hätten sich bereits gemeldet. „Darunter viele junge Menschen“, freut sich der Kirchenmann, der am Tag der Eröffnung der Wallfahrt seinen 51. Geburtstag feiert. Dann dürfte ihm wohl auch sein Vorgänger gratulieren: Felix Genn. Der war 1996 Wallfahrtsleiter, heute steht Genn als Bischof an der Spitze des Bistums Münster.

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