Geschenktipps von 16 VOR
Rückenkratzer aus Elfenbein, kaiserliche Fabergé-Eier und Eigentumswohnungen am Central Park hat doch heute schon jeder. Darum geben Mitglieder der 16vor-Redaktion wie bereits in den beiden vergangenen Jahren am 21. Dezember wertvolle Geschenktipps zu Weihnachten. Damit es am Gabentisch nicht ein weiteres Mal heißt: „Oh Mann, schon wieder einen Airbus A380!“ Wir beginnen mit der Vorstellung von Büchern – ein Bereich, wo man sehr, sehr viel falsch machen kann (z.B. „Vorerst gescheitert – Karl-Theodor zu Guttenberg im Gespräch mit Giovanni di Lorenzo“).
Eric Thielen: Nichts für sentimental-besinnliche Stunden
Er regelt die Biographien und Leben anderer Menschen wie ein zynisch arrangiertes Schachspiel: Gegen Geld geht alles – eine problemlose Scheidung, eine schnelle Karriere oder gleich ein ganz neues Leben. Und nach diesem Motto lebt er auch, der Regler, dessen eigenes Leben keine Unlogik oder emotionalen Abweichungen kennt, bis bestialische Morde seine sorgsam konstruierte Ordnung ins absolute Chaos führen. Das Erstlingswerk von Max Landorff „Der Regler“ ist nichts für sentimental-besinnliche Stunden, aber ein kurzweiliges Lesevergnügen für alle, die es auch an den Feiertagen mal zynisch und ganz und gar unweihnachtlich mögen.
Marcus Stölb: Fernweh
Das war es dann wohl mit der besinnlichen Vorweihnachtszeit. Statt im Advent zur Ruhe zu kommen, fühle ich mich nun reif für die Insel – offenbar ergeht es vielen so. Zeit, mal wieder einen Blick in den „Atlas der abgelegenen Inseln“ zu werfen. Das in der Büchergilde Gutenberg erschienene Werk ist der Inbegriff an Buchkunst, noch dazu zu einem sehr fairen Preis. Autorin Judith Schalansky erzählt Geschichten von 50 „Fußnoten des Festlands“; von der Laurie- bis zur Possession-Insel, von Brava bis Rapa Iti. Und auch der Weihnachtsinsel ist ein Kapitel gewidmet.
Kathrin Schug: Gesprächsstoff
Homo Faber, Andorra und Stiller kennt jeder. Zu Unrecht unbekannter ist das schmale Büchlein „Fragebogen“, eine Sammlung einzigartig demaskierender Fragen, die Max Frisch in seinen Tagebüchern gestellt hat. Konfliktfreudige finden darin auch wunderbare Inspirationen, die trägen Gespräche am Weihnachtstisch in Gang zu bringen. Ich empfehle: „Gesetzt den Fall, Sie haben nie einen Menschen umgebracht, wie erklären Sie es sich, daß es dazu nie gekommen ist?“. Oder auch: „Sind Sie sicher, daß Sie die Erhaltung des Menschengeschlechts, wenn Sie und alle Ihre Bekannten nicht mehr sind, wirklich interessiert? Warum? Stichworte genügen.“
Jannis Puhlmann: Ein reines Gewissen
Wer all die Standardgeschenke schon zigmal verschenkt hat, ein pfiffiges Konzept zu schätzen weiß und zudem noch ein wenig idealistisch veranlagt ist, der versucht es in diesem Jahr vielleicht mal mit etwas wahrlich Immateriellem: Einem guten Gewissen. Auf der Aktionsseite www.co2nachten.de kann man seinen Nächsten einen ganz individuellen CO2-Reduzierungs-Gutschein schenken. Zum Beispiel zwei Wochen kalt duschen, dabei 19 Kilogramm CO2-Ausstoß einsparen und so dem Beschenkten zwei Wochen lang Warmduschen mit reinem Gewissen bescheren.
Aber gut, wer freut sich schon über so etwas? Entweder man hat einen außerordentlich umweltbewussten Freundeskreis oder man kennt einen dieser Menschen, die ohnehin schon alles haben.
Bettina Leuchtenberg: Backups
Sie ist das zweite Gedächtnis, speichert Momentaufnahmen des Lebens und sichert Erinnerungen. Sie gibt nur Sachen preis, wenn ich zustimme und ist präsent in meinem Bewusstsein. Ich kommuniziere täglich mit ihr und teile ihr das mit, was ich geschrieben, konzipiert oder gestaltet habe. Sie kennt alle meine Fotos, Kontakte und Korrespondenzen. Wie die beste Freundin ist sie ein wesentlicher Teil des Lebens. Erst wenn der Kontakt abgebrochen ist oder man sich nicht gekümmert hat, merkt man, wie sie einem fehlt. Darum kann ich jedem nur raten, dieses zwar nicht schöne aber nachhaltige Geschenk zu machen und den Tipp hinterherzuschicken: bitte kommuniziere jeden Tag mit deiner externen Festplatte – es lohnt sich!
Christian Jöricke: Viren und Bakterien
Meine Halsschmerzen haben mich darauf gebracht: Bringen Sie an Heiligabend Viren und Bakterien unters Volk! Das heißt nicht, dass Sie Ihre Mitmenschen anhusten oder benutzte Papiertaschentücher auf die Heizung im Wohnzimmer legen sollen. Verschenken Sie Riesenmikroben aus Plüsch! Die fühlen sich gut an und schauen interessant aus. Oder wussten Sie, wie Herpes, Windpocken oder Masern millionenfach vergrößert aussehen? Gibt es hier und in der Mayerschen Interbook.
Volker Haaß: Behaglichkeit
Ich hatte mir für dieses Jahr eine ganze Liste an Geschenkideen angelegt. Meine Eltern sollten einen Tempranillo-Wein bekommen, Freunde von mir Lichtenbergs „Sudelbücher“, ein zündstoff-T-Shirt, einen Fabre-Kunstdruck und ein Buch von Jean Ziegler. Freundinnen von mir wollte ich Yasmina Rezas „Kunst“ sowie Ingmar-Bergman-Filme schenken.
Ich habe vor wenigen Tagen entschieden, das alles nicht zu kaufen. Der Grund ist ganz simpel: Ich möchte in diesem Jahr endlich diesem Stress ausweichen. Ich will schenken, wenn ich Lust drauf habe und vor allem nicht gerade dann, wenn jedermann es vorhat. Kurzum: Ich will mehr kulturelles Behagen. Und meine Liebsten werden verstehen, gerade weil sie es sind.
Jimi Berlin: Sphärische Klänge und gradlinige Stories
Freunden schenke ich was von Freunden, da haben alle was davon. Für die Gehörgänge „Gagarin – Son Of The Earth“ von Nick Reece. Das Instrumental-Album erinnert mit sphärischen Pianoklängen und elektronischen Frickeleien an die riskante Reise des ersten Weltraumfliegers.
Dazu als Kontrastprogramm „Bald ist Weltuntergang, bitte weitersagen!“ von Alex Gräbeldinger. Der Punk-Autor überzeugt mit egozentrischen, gradlinigen Stories über den eigenen Lebensversuch und einer klaren, unverkopften Sprache (Trier, Tante Guerilla, www.alex-graebeldinger.de).
Christian Baron: Amüsante Gesellschaftskritik
Wirklich gute politische Kabarettisten finden leider viel seltener den Weg nach Trier als in ähnlich große Städte Deutschlands. Ein Missstand, den Urban Priol einmal im Gespräch mit dem Autor dieser Zeilen damit begründet hat, dass die Moselmetropole „zu weit ab vom Schuss“ läge und man „in diese schmucke Stadt net mal so ebbe hinkommt“. Wer nicht so weit in den Schuss hinein reisen mag, aber dennoch auf radikale Gesellschaftskritik nicht verzichten will, die amüsant ist und zugleich zornig macht, für den eignen sich Live-DVDs und CDs prima. Wärmstens seien die derzeit größten Könner ihres Faches empfohlen: Georg Schramms „Meister Yodas Ende„, Volker Pispers’ „Bis neulich„, Hagen Rethers „Liebe“ und der Jahresrückblick „Tilt!“ des erwähnten Urban Priol.
von 16vor