Castelnau-Planungen nehmen Konturen an
Vor drei Jahrzehnten noch galt Trier mit rund 11.000 Soldaten und zivilen Angehörigen als die größte Garnison der französischen Streitkräfte außerhalb von Paris. Ende der 1990er Jahre war das Militär der „Grande Nation“ komplett abgezogen. Zurück blieben fast 40 Liegenschaften mit einer Gesamtfläche von mehr als 500 Hektar. Neben Trier-Nord und dem Petrisberg wurden vor allem in Feyen riesige Areale frei. Nach dem Kauf der rund 340.000 Quadratmeter großen Konversionsfläche Castelnau durch die EGP soll im Südosten Triers ein neues Stadtquartier entstehen. Städtebaulich stelle das Vorhaben eine größere Herausforderung dar als der Petrisberg, erklärt EGP-Chef Jan H. Eitel gegenüber 16vor.
TRIER. Einem gigantischen Riegel gleich durchschneidet das dreistöckige Gebäude den Nordwesten des Areals. 140 Meter misst das wohl längste Gebäude der Stadt, rund 8.000 Quadratmeter Nutzfläche finden darin Platz – Raum genug für 56 Wohnungen, die dort in den nächsten Jahren entstehen sollen. Gebäude 019/020 komme bei der Konversion von Castelnau eine besondere Bedeutung zu, erläutert Jan H. Eitel. Der Chef der EGP – Gesellschaft für urbane Projektentwicklung, die aus der früheren Entwicklungsgesellschaft Petrisberg hervorging, will hier beweisen, wie aus einem in die Jahre gekommenen Kasernenbau hochwertiger und gefragter Wohnraum entwickelt werden kann.
Um dieses Projekt wie geplant bis Ende 2013 realisieren zu können, wird die EGP schon bald in die Vermarktung gehen müssen. „Wir brauchen eine hohe Verkaufsquote“, berichtet Eitel. Kapitalanleger sollen sich engagieren und die geplanten, zwischen 50 und 100 Quadratmeter großen Wohnungen für sich reservieren. Da Castelnau als Sanierungsgebiet anerkannt wurde, winken für die Revitalisierung des alten Kasernengebäudes besondere Abschreibungsmöglichkeiten. Klar ist aber auch: In Gebäude 019/020 werden die Wohnungen zu ortsüblichen Mieten angeboten, und die liegen in Trier bekanntlich auf hohem Niveau.
Dass sich Trier neues Stadtquartier zu einem zweiten „Reichenhügel“ entwickelt, wie der Petrisberg im Volksmund schon mal genannt wird, glaubt Eitel indes nicht. Überhaupt tauge der Vergleich mit Triers bislang größtem Konversionsgebiet nur bedingt. Denn was auf der Höhe entwickelt wurde, lässt sich am Feyener Hang aus verschiedenen Gründen nicht wiederholen. Rund 120 Millionen Euro investierte die EGP bislang auf dem Petrisberg, doch flossen im Zuge der Landesgartenschau 2004 auch Fördermittel von rund 16 Millionen Euro. Bei Castelnau müsse man wohl oder übel ohne Zuschüsse auskommen, so Eitel. Die EGP arbeite „gewinnorientiert, aber nicht gewinnmaximierend“, betont er und ergänzt: „Wir haben mit dem Petrisberg Geld verdient“. Nur deshalb sei es überhaupt möglich gewesen, Castelnau zu erwerben und mit dem 37.000 Quadratmeter großen Bobinet-Gelände im Westen Triers gleich noch ein weiteres Großprojekt anzugehen.
„Wir müssen die Topographie in den Griff bekommen“
In Castelnau stellen sich für die Planer und Entwickler verschiedene Herausforderungen. Anders als auf dem Petrisberg, der wie eine Insel wirkt und weitgehend von Grund auf neu entwickelt wurde, soll auf dem ehemaligen Kasernenareal im Südosten der Stadt nicht nur völlig neues Quartier entstehen, sondern auch eine Mitte für den gesamten Stadtteil Feyen-Weismark. Denn diese fehlt bislang, und damit auch ein verbindendes Element zwischen Feyen und der Weismark. Ein Teil des Gebäudebestands von Castelnau soll – vor allem für Wohnraum – neu genutzt werden. Zahlreiche Gebäude werden jedoch einer Neubebauung weichen.
In einem ersten Bauabschnitt ist die Errichtung eines Nahversorgungszentrums geplant. Dieses soll gleich neben Gebäude 019/020 entstehen. Wenn es nach Eitel und seinem Team geht, dann wird dieses neue Zentrum städtebaulich um einiges ansprechender ausfallen als das, was beispielsweise vor einigen Jahren am Rande von Tarforst entstand. „Wir haben da einen anderen Anspruch“, erklärt der EGP-Chef, dem die Entwürfe mehrerer Büros vorliegen.
Doch am Ende wird die Finanzierung den Ausschlag geben, denn auch was die Kosten anbelangt, stellt Castelnau eine Herausforderung dar. Sanierung und Umwandeln im Bestand ist bekanntlich meist aufwändiger und deshalb oft auch teurer als neu zu bauen. Doch auch die Neubebauung der Hangterassen am Fuße des Mattheiser Walds dürfte den Planern noch einiges Kopfzerbrechen bereiten. Hier, im vierten Teilgebiet des Projekts, werden die bestehenden Kasernengebäude fast allesamt abgerissen. „Wir müssen die Topographie in den Griff bekommen“, sagt Eitel. Schon die Anlage eines kompletten Trennsystems für die Entwässerung werde schwierig, erklärt er, eine „hochkomplexe Ingenieursplanung“ sei da vonnöten. Und auch die verkehrliche Erschließung will durchdacht sein, denn angesichts von Hunderten neuen Wohneinheiten und dem geplanten Nahverkehrszentrum ist mehr Verkehr programmiert.
Gerade bei diesen Fragen profitieren die Planer auch vom Sachverstand engagierter Bürger. So liegen laut Eitel allen Überlegungen die Ergebnisse des Bürgergutachtens für Feyen/Weismark zugrunde, das 2003 in einen Stadtteilrahmenplan mündete. Was die Anbindung des Nahversorgungszentrums anbelangt, stand anfangs eine direkte Anbindung über die Pellinger Straße an die Straße Am Römersprudel zur Debatte. Doch hier befürchteten nicht wenige Bürger, dass dies weiteren Durchgangsverkehr durch den Stadtteil provozieren könnte. Schon heute fahren viele aus Richtung Pellingen und Konzer Tälchen kommend in Feyen ab, um über die Weismark und Heiligkreuz ins Zentrum zu gelangen und so die stark frequentierten Moseluferstraßen weiträumig zu umfahren. Um den Anreiz hierfür nicht noch zu vergrößern, soll das Ladenzentrum nun über die Straße Am Sandbach erschlossen werden.
Dass die Anwohner ihre Anregungen in den weiteren Planungsprozess mit einbringen, ist erklärtes Ziel von Eitel und seinen Kollegen. Alle drei Wochen werden deshalb die Castelnau-Gespräche angeboten, in denen anhand von Schwerpunktthemen über den aktuellen Planungsstand informiert wird. Allerdings mache man sich nicht jeden Bürgerwunsch zu eigen, betont der EGP-Chef. Beispiel Exerzierplatz: Während manche wünschten, die gesamte Fläche unbebaut zu lassen, argumentierten Eitel und seine Mitarbeiter mitsamt einer professionellen Moderation gegen dieses Ansinnen an – und überzeugten. Einen derart großen Platz mit Leben zu erfüllen und obendrein zu verhindern, dass sich die Fläche zu einer Problemzone entwickelt, erschien dann doch als ein zu gewagtes Unterfangen. Zudem wäre es für die Gesamtkalkulation der EGP wohl auch problematisch geworden, die Fläche als Freiraum zu erhalten. Nun ist auf der Ostseite des Gebäudes 019/020 eine verdichtete Bebauung geplant. Im kommenden Winter soll die Vermarktung der Grundstücke auf dem Exerzierplatz beginnen. Läuft alles nach Plan, dann wird die Konversionsmaßnahme Castelnau bereits 2018 abgeschlossen sein – fast zwei Jahrzehnte nach dem Abzug der letzten französischen Soldaten aus der Moselstadt.
Auch an diesem Mittwoch sind die Bürger wieder gefragt. Dann will die EGP im Gebäude oo1 über die Idee eines generationenübergreifenden Quartiers diskutieren. Hierbei soll es auch um die soziale Infrastruktur des Konversionsprojekts gehen. Beginn ist um 17.30 Uhr.
von Marcus Stölb