Der Markt allein wird es nicht richten

Triers Immobilienbranche boomt, doch der Druck auf den örtlichen Wohnungsmarkt dürfte in den kommenden Jahren kaum abnehmen. Übersteigt die Nachfrage weiterhin das Angebot, wird es vor allem für einkommensschwache Wohnungssuchende noch schwieriger, eine bezahlbare Bleibe zu finden. „Immer mehr Menschen haben ein echtes Problem“, erklärte OB Klaus Jensen am Dienstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung der SPD-Ratsfraktion. Dass die Zahl der Baugenehmigungen in der Stadt Trier 2012 um noch einmal gut zehn Prozent über dem Vorjahresniveau liegen wird, reiche immer noch nicht aus, so Jensen. Was die Zukunft der verbliebenen rund 700 städtischen Wohnungen anbelangt, kann und will man sich im Rathaus nicht auf die Kräfte des Marktes verlassen.

TRIER. Zwischen 2000 und 2009 wuchs die Bevölkerung Triers laut Daten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) um knapp 4.800 Menschen – ein Plus um fast fünf Prozent. Dazu beigetragen haben auch die Nähe zu Luxemburg und das Phänomen, dass einstige Studierende nach ihrem Abschluss in Trier bleiben und einige auch eine Familie gründen, trägt zu der positiven Entwicklung bei. Die Kehrseite dieser Entwicklung: Das Mietpreisniveau steigt seit Jahren stetig an und wird in Rheinland-Pfalz inzwischen nur noch von der Landeshauptstadt übertroffen.

Trier ist ein gefragtes Pflaster, weiß auch Dr. Salvatore Barbaro, Staatssekretär im Landesministerium für Finanzen und Bauen. Das sei aber eigentlich auch nicht überraschend, denn „Trier ist für uns die zweite Metropole nach Mainz“, schmeichelte der Sozialdemokrat am Dienstagabend bei einer Veranstaltung der SPD-Ratsfraktion. Die stand unter dem Motto „Wohnungsnot in Trier? Bezahlbares Wohnen für alle!“. Des Fragezeichens hätte es eigentlich nicht mehr bedurft. Denn auch wenn sich die Situation in der Moselstadt nicht mit der in Frankfurt, München oder Köln vergleichen lasse, so Salvatore, hätten viele Personengruppen ernsthafte Schwierigkeiten, eine bezahlbare Bleibe zu finden; und solche, die eine gefunden haben, müssen oft einen relativ großen Anteil ihrer Kaufkraft fürs Wohnen investieren. „Immer mehr Menschen haben ein echtes Problem“, erklärte OB Klaus Jensen gleich zum Auftakt der von Maria Ohlig moderierten Podiumsdiskussion im Warsberger Hof.

Ein Problem hat auch die Stadt, doch hat man sich zumindest auf die Suche nach einer Lösung gemacht: Nachdem der Bestand der städtischen Wohnungen seit Anfang der 1990er Jahre mehr als halbiert wurde, will man nun keine der verbliebenen knapp 710 Immobilien mehr veräußern. Vor allem die Kommunalaufsicht hatte in den vergangenen beiden Jahrzehnten immer wieder darauf gedrängt, sich von Wohnungen und Häusern zu trennen. Der Erlös von rund 10 Millionen Euro floss in den städtischen Haushalt, zurück blieben vor allem jene Wohnungen, die in einem zum Großteil jämmerlichen Zustand sind. Es sei bei vielen dieser Unterkünfte „eigentlich nicht verantwortbar“, dort Menschen wohnen zu lassen, so Jensen. Über Jahrzehnte habe es die Stadt unterlassen, einen gewissen Standard zu halten, kritisierte der OB.

Sanierungsbedarf: Mehr als 37 Millionen Euro

Ein Blick auf die Zahlen macht deutlich, mit welchem Bestand es die Stadt zu tun hat: Von den aktuell noch 707 städtischen Wohnungen wurden 76 vor dem Ersten Weltkrieg errichtet. Insgesamt stammen mehr als ein Drittel aller Wohnungen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, und selbst die zuletzt errichteten städtischen Immobilien – 121 Einheiten im Stadtteil Mariahof – sind inzwischen nahezu ein halbes Jahrhundert alt. In einer sehr groben Einschätzung des voraussichtlichen Sanierungsaufwands kommen die Hannoveraner KUB Kommunal- und Unternehmensberatung GmbH sowie die Bochumer Wohnbund-Beratung NRW GmbH zu dem Ergebnis, dass für die Instandsetzung und Modernisierung der Wohnungen mindestens 37, 4 Millionen Euro benötigt würden. Angesichts der katastrophalen Finanzlage der Stadt ein undenkbares Unterfangen, weshalb man im Rathaus über eine neue Trägerstruktur für diese Immobilien nachdenkt und schon mal deutlich macht, dass eine Sanierung ohne Zuschüsse von außen nicht denkbar wäre.

Dass man an dem derzeitigen Bestand festhalten muss, darüber herrschte bei den Diskutanten am Dienstagabend Einigkeit. Allein die Länge der Warteliste macht deutlich, wie hoch der Bedarf ist: Jährlich gehen bei der Wohnraumberatungsstelle der Stadt 520 Bewerbungen für eine städtische Wohnung ein, wobei von mehr als 1.200 Personen auszugehen ist, die hinter diesen Bewerbungen stehen. Es sind vor allem kinderreiche Familien, alleinerziehende Mütter und alleinstehende Männer, die verzweifelt nach Wohnungen suchen. Auch Frauen aus dem Frauenhaus sind betroffen, ebenso Menschen, die aus der Psychiatrie oder anderen Gesundheitseinrichtungen kommen. Sandra Bartmann, Direktorin des Caritasverbandes in der Diözese Trier, findet deutliche Worte: „In den letzten Jahren ist es nicht besser, sondern deutlich schlechter geworden“, erklärte sie am Dienstagabend und bezog sich hierbei auf den gesamten Wohnungsmarkt. Ihr Verband mache die Erfahrung, dass Menschen mit psychischen Schwierigkeiten, die längst wieder stabilisiert seien und eine eigene Wohnung beziehen könnten, bis zu einem Jahr auf eine neue Bleibe warten müssten. Die Konsequenz: Während dieser Zeit würden sie weiterhin in Einrichtungen untergebracht, in denen der Platz pro Monat rund 2.500 Euro koste. Es gebe in Trier ein „sehr geringes Angebot an bezahlbarem und menschenwürdigem Wohnraum“, die Investitionen konzentrierten sich allzu sehr am Hochpreissegment.

Einer der größten Akteure am Markt ist die Wohnungsbau- und Treuhand AG, kurz gbt. Deren Chef, Dr. Stefan Ahrling, räumte am Dienstag ein, dass sein Unternehmen im sozialen Wohnungsbau aktuell gar nicht mehr aktiv ist. Gründe hierfür gebe es viele, so Ahrling. Beispielsweise machten es die hohen Grundstückspreise in Trier und Verordnungen, etwa zu energetischen Gebäudestandards, heute kaum mehr möglich, so zu bauen, dass sich die Wohneinheiten zu niedrigen Mieten vermarkten ließen. „Wir wären bereit, mehr Sozialwohnungen zu bauen, wenn sich das wirtschaftlich realisieren ließe“, erklärte der gbt-Chef. Barbaro zeigte Verständnis für die Problematik: „Man kann nicht Passivhausstandard verordnen und dann 4,57 Euro Quadratmetermiete erwarten“. Trotz Projekten wie Herz-Jesu-Garten – mit mehr als 4.000 Einheiten hält die gbt noch immer rund zwei Drittel der vor Ort existierenden Sozialwohnungen in ihrem Bestand. Doch gerade auf diesem Feld droht Ungemach, denn in den nächsten 15 Jahren wird mehr als die Hälfte aller Sozialwohnungen aus der Bindung herausfallen. Das bedeutet: Die vom Fördergeber einst gemachten Auflagen hinsichtlich Miethöhe und Wohnberechtigung laufen aus.

Auch auf dem Petrisberg gibt es Sozialwohnungen

Damit ist klar: Die Situation auf dem Trierer Wohnungsmarkt dürfte sich weiter verschärfen, zumindest für jene, die dringend auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind. Menschen, die beispielsweise bei der Wohnungsgenossenschaft Am Beutelweg e.G. fündig wurden. Deren ehrenamtliches Vorstandsmitglied Bernd Steinmetz betonte am Dienstag den „großen sozialen Aspekt“ der Thematik. Zugleich warf er die Frage auf, ob es denn in Trier noch einen „gemischten Wohnungsmarkt“ gebe? Jensen konterte: „Auch auf dem Petrisberg gibt es Sozialwohnungen“. Der OB machte aber zugleich deutlich, dass der Handlungsbedarf auch aus seiner Sicht enorm sei.

Das sahen auch Vertreter des Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der Universität so. „Studenten dürfen nicht unter die Räder geraten“, warnte ein Sprecher. Für die im BaföG vorgesehenen 270 Euro fürs Wohnen finde man in einem privaten Studentenwohnheim keinen Platz, weshalb sich die Stadt hier stärker engagieren müsse. Jensen entgegnete: „Wir sind als Stadt nicht in der Lage, studentischen Wohnraum zu schaffen“. Die Verwaltung könne nur darauf hinarbeiten, dass möglichst viel privates Kapital investiert werde. Jensen kritisierte zugleich, dass es nicht gelungen ist, die rund 150 Wohnungen in der ehemaligen Franzosensiedlung Burgunderstraße zumindest vorübergehend für Studenten zur Verfügung zu stellen. Weder er noch Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani (CDU), die wie ihr Vorgänger Peter Dietze (SPD) und Bürgermeisterin Angelika Birk (B90/Die Grünen) an der Veranstaltung teilnahm, hätten verstanden, „dass der Bund sich querstellte“ und das Studierendenwerk meinte, die Wohnungen seien nicht zumutbar, weil sich zwei bis drei Bewohner ein Bad hätten teilen müssen.

Jensen erwartet, dass die Stadt 2012 zehn bis zwölf Prozent mehr Baugenehmigungen erteilt haben wird als 2011. Weitere Projekte zeichnen sich ab, etwa in Feyen, wo mehrere Hundert Wohnungen entstehen werden. „Trier ist inzwischen einer der begehrtesten Immobilienstandorte Deutschlands“, so der OB. „Wir brauchen dringend noch mehr Wohnungen, um den Druck vom Markt zu nehmen“, verlangte der Stadtchef. Was die städtischen Wohnungen anbelangt, stellte er klar: „Hier können wir nicht auf die Kräfte des Marktes vertrauen“.

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