„Eine einmalige Chance“

Sie gilt als die älteste noch genutzte Römerbrücke nördlich der Alpen, doch wer sie überquert, wird davon wenig mitbekommen. Denn gemessen an seinem prestigeträchtigen Status, präsentiert sich das Weltkulturerbe völlig unter Wert. Nun hat die Stadt einen städtebaulichen Wettbewerb auf den Weg gebracht, finanziert aus einem Sonderprogramm des Bundes. Anders als bei der Porta Nigra sollen sich die Bürger dieses Mal frühzeitig mit einbringen können. Bei der Auftaktveranstaltung am Mittwochabend hielt sich die Resonanz noch in Grenzen, was wohl auch der suboptimalen Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld geschuldet war. Richtig gefragt sind die Trierer ohnehin erst am 11. November, bei einem Bürgerworkshop in den Viehmarktthermen. OB Klaus Jensen und Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani verteidigten den Wettbewerb als „einmalige Chance“ und „wichtigen Impulsgeber“, der auch das Großprojekt „Stadt am Fluss“ weiterbringen könne. 

TRIER. Anfang der 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts herrschte in der Region ein Dürresommer. Der Wasserstand der Mosel war bedrohlich gesunken, zu Tage traten die Reste einer Ansammlung von Holzpfählen, die bereits aus der Antike stammen und einen so genannten Pfahljochbau bildeten. Das um 71 nach Christus unter Kaiser Vespasian errichtete Bauwerk war bereits die zweite von insgesamt drei Römerbrücken, welche die Trierer Stadtgeschichte kennt. Die erste, eine Art „Knüppeldamm“ (O-Ton Dr. Joachim Hupe vom Rheinischen Landesmuseum), stammte aus dem Jahr 16 vor Christus – ein Datum, das mehr als 2.000 Jahre später einem Trierer Online-Magazin seinen Namen geben sollte, galt es doch lange Zeit auch als das Gründungsdatum Triers.

Um 144 nach Christus wurde mit der Errichtung der heutigen Römerbrücke begonnen. Tatsächlich aus römischer Zeit stammen allerdings lediglich die Basaltpfeiler, was der Bedeutung des Bauwerks keinen Abbruch tut. Denn mehr als 1.000 Jahre war die Trierer Römerbrücke die einzige feste Querung der Mosel zwischen Koblenz und Metz. Dass sie zudem eine der ganz wenigen wichtigen Brücken war, die im Zweiten Weltkrieg nicht gesprengt wurde, gehört zu den weiteren Besonderheiten des im November vor 25 Jahren von der UNESCO in die Liste der Welterbestätten aufgenommenen Bauwerks. Die Kaiser-Wilhelm-Brücke moselabwärts, von den Trierer trotz der wesentlich jüngeren Konrad-Adenauer-Brücke noch immer gerne als „nei Brück“ tituliert, hatte da weniger Glück: Sie wurde im letzten Krieg bei Luftangriffen teilweise zerstört.

Vielleicht ist ihr bis heute guter Zustand einer der Gründe, weshalb die Bedeutung der Römerbrücke in den vergangenen Jahrzehnten kaum zur Geltung kam. Nachdem man Anfang der 1930er die Fahrbahn inklusive Bürgersteige von rund sieben auf mehr als zehn Meter verbreitert hatte, herrschte fortan freie Fahrt über die Brücke, die bis in die 50er auch von der Tram passiert wurde. Heute verkehren hier jeden Tag fast 14.000 Fahrzeuge von West nach Ost oder umgekehrt.  Am östlichen Brückenkopf wurde ein für Trierer Verhältnisse hohes Haus hochgezogen, das heute unter anderem ein Hotel beherbergt; auf der westlichen Seite ließen die damals im Rathaus Verantwortlichen es zu, dass die Sparkasse einen Flachdachbau hinstellte. Alles keine optimalen Ansätze, um die Brücke und ihre  besser ins Szene zu setzen.

Doch genau das beabsichtigt nun die Stadt, die im kommenden Frühjahr einen städtebaulichen Wettbewerb ausloben will, der zu 90 Prozent aus Mitteln des Bundes finanziert wird. Um eine „Neuinszenierung“ soll es gehen, heißt es. Vor allem flussabwärts, am Krahnenufer, lockt noch beachtliches Potenzial. Hier war einmal Triers Hafen. Am Mittwochabend startete die Bürgerinformation mit OB Klaus Jensen (SPD) und Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani (CDU). Der ebenfalls angekündigte Wirtschafts- und Kulturdezernent Thomas Egger (FDP) war nicht gekommen, doch auch so fehlte es nicht an Reden. Die Resonanz hätte allerdings besser ausfallen dürfen, was den Chef der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) in Koblenz zu der Bemerkung veranlasste, dass „die Öffentlichkeit erst dann wach wird, wenn es schon zu spät ist“. Dass kaum mehr als 20 Leute gekommen waren, die nicht bei der Stadt angestellt sind oder zu den Referenten zählten, war aber wohl auch ein Ergebnis der viel zu spät gestarteten Öffentlichkeitsarbeit: Erst am vergangenen Montag hatte die Stadt den Termin für die Auftaktveranstaltung bekannt gegeben.

Fast 14.000 Fahrzeuge täglich

OB Jensen nutzte derweil die Gelegenheit, auf die Skepsis gegenüber städtebaulichen Wettbewerben einzugehen. Die wurde nicht geringer, nachdem mit der Porta Nigra erst vor wenigen Monaten ein vergleichbares Verfahren abgeschlossen wurde und die Umsetzung des Siegerentwurfs in den nächsten Jahren wohl kaum in Angriff genommen werden dürfte. Dass die Stadt im Rahmen eines Sonderprogramms viel Geld für die UNESCO-Welterbestätten nach Trier holte, sei das einzig vernünftige gewesen, so Jensen. Am Beispiel der Liebfrauenkirche, die im September nach mehrjähriger umfangreicher Sanierung wiedereröffnet wurde, zeigten sich schließlich erste Ergebnisse des Programms. Der OB sprach von einer „einmaligen Chance“ und ergänzte: „Wir wären sehr nachlässig gewesen, wenn wir die Möglichkeit nicht ergriffen hätten“. Jensen sieht den Brückenwettbewerb auch im Kontext des Projekts „Stadt am Fluss“. Es gelte nun, Perspektiven für den Naherholungsraum Mosel zu entwickeln. Derartige Angebote seien auch wichtig für die Attraktivität von Wohnstandorten in der Nähe des Flusses. „Wir wären da schon gerne weiter“, räumte der OB ein, aber die städtischen Finanzen ließen wenig Spielraum. Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani erhofft sich von dem Ergebnis des Wettbewerbs einen „wichtigen zukunftsfähigen Baustein“ für die weitere Entwicklung der Stadt und auch der Westseite Triers. Und anders als bei der Porta Nigra sollten dieses Mal auch die Erwartungen der Bürger mit einfließen.

Welches Potenzial die stärkere Einbeziehung des Flusses und der Brücke für die Identität und Attraktivität der Stadt hat, zeigte anschließend Christa Reicher auf. Die Professorin für Städtebau und Bauleitplanung an der Technischen Universität Dortmund stellte klar, dass im Rahmen des Wettbewerbs „differenzierte und spezifische Antworten“ auf die Herausforderung gefunden werden müssten. Ein Blick nach Lyon oder Maastricht zeige aber, wie die In-Wert-Setzung des Flussufers und der Querungen auch für einen „ökonomischen Schub für die Stadtentwicklung“ genutzt werden könnten. Jensen und Kaes-Torchiani hatten bereits deutlich gemacht, dass eines der Ziele des Vorhabens ist, auch privates Kapital zu mobilisieren.

Komplex werden die Lösungen allemal, und die Herausforderung an der Römerbrücke dürfte kaum geringer sein als an der Porta Nigra. Was sich die Trierer von dem Wettbewerb erhoffen, können sie im besagten Bürgerworkshop zur Sprache bringen. Die Veranstaltung beginnt am 11. November um 14 Uhr in den Viehmarktthermen, um 18 Uhr sollen am gleichen Ort die Ergebnisse des Workshops präsentiert werden.

Anmeldungen für den Bürgerworkshop nimmt das Stadtplanungsamt unter der Telefonnummer 0651/718-3614 entgegen.

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