Kaum einer überlebte
Heute vor 70 Jahren begann das nationalsozialistische Terrorregime mit der Deportation von Juden aus dem damaligen Regierungsbezirk Trier und dem von der Wehrmacht besetzten Großherzogtum. Mehr als 500 Menschen befanden sich in einem Zug, der am Abend des 16. Oktober 1941 den Luxemburger Güterbahnhof verließ und über Trier nach Lodz fuhr. Für die meisten war das Getto von Litzmannstadt nur eine Zwischenstation auf ihrem Weg in die Todeslager. In den Jahren 1942 und 43 sollten noch weitere Züge folgen, Hunderte Juden aus der Region wurden ermordet, nur einige wenige überlebten die Vernichtungspolitik der NS-Führung. Eine Ausstellung in der Konstantin-Basilika erinnert an das Schicksal der ersten Deportierten. Sie ist zugleich eine Mahnung, jedweder Form rassistischer und faschistischer Umtriebe von Beginn an entschieden entgegenzutreten.
TRIER/LUXEMBURG. Frühjahr 1940: Die restriktive Flüchtlingspolitik Luxemburgs setzt den jüdischen Ausländern im Lande immer mehr zu. Zudem wächst die Bedrohung vonseiten des Deutschen Reichs: Hitlers Wehrmacht hat den Zweiten Weltkrieg losgetreten, ein Überfall auf die westlichen Nachbarn ist nur noch eine Frage der Zeit. Viele sehen in der jüdischen Hilfsorganisation ESRA ihre letzte Hoffnung, wollen mit ihrer Hilfe nach Lateinamerika auswandern. So auch Jakob Hirschkorn, der erst im September 1938, nur wenige Wochen vor der Pogromnacht, von Wawern an der Saar ins Großherzogtum übergesiedelt war. In Osweiler bei Echternach hat er eine Anstellung als landwirtschaftlicher Arbeiter gefunden.
Doch auch in Luxemburg muss der gelernte Metzger rasch feststellen, dass er unerwünscht ist. So plant er seine Auswanderung, will dem Beispiel seines Onkels folgen, der samt seiner Familie schon seit 1934 in Paraguay lebt. Doch Jakob Hirschkorns Flucht misslingt, das Visum für Lateinamerika kommt für ihn zu spät. Am 16. Oktober 1941 wird er ins Getto Litzmannstadt im polnischen Lodz deportiert – gemeinsam mit mehr als 300 weiteren Juden aus dem Großherzogtum, die am selben Tag vom Luxemburger Güterbahnhof via Trier in das von der deutschen Wehrmacht besetzte Polen gebracht wurden.
Zwischenstation auf dem Weg ins Todeslager
Vier Monate zuvor, am 10. Mai 1940 hatte die Wehrmacht das Großherzogtum überfallen und besetzt. Nun begannen die Faschisten damit, auch hier ihre systematische Vernichtungspolitik umzusetzen. Luxemburg war in den 1930er Jahren zu einem wichtigen Asyl- und Durchreiseland deutscher Juden geworden, viele wähnten sich hier in Sicherheit – zumindest vorübergehend. Vor dem deutschen Einmarsch lebten schätzungsweise mehr als 3.700 Juden im Land. Nach dem Überfall der Wehrmacht gelang noch rund 1.500 von ihnen die Flucht nach Frankreich. Schätzungen zufolge wurde während der Nazi-Herrschaft ein Drittel der Juden, die am Tag der deutschen Invasion in Luxemburg lebten, ermordet.
Am 16. Oktober 1941 startete der erste Zug, insgesamt wurden allein an diesem Tag 518 Juden aus dem damaligen Regierungsbezirk Trier und Luxemburg in den Osten deportiert. Für die meisten sollte Lodz nur eine Zwischenstation auf dem Weg in die Todeslager der Nationalsozialisten sein. Weitere Transporte folgten: 1942 nach „Böhmen/Mären“ und Theresienstadt, im Frühjahr 1943 nach „unbekannt“. Am 17. Juni 1943 verließ der letzte Transport Luxemburg. Von elf Juden, die mit diesem Zug deportiert wurden, überlebten nur zwei die Konzentrationslager Auschwitz und Theresienstadt. An Bord des Zugs waren auch die letzten fünf Juden, die zu diesem Zeitpunkt noch in Trier lebten.
Lediglich 15 Trierer und Luxemburger Juden überlebten die erste Deportation vom Oktober 1941, berichtet Dr. Pascale Eberhard, Tochter eines Überlebenden des KZ Dachau. Anlässlich des 70. Jahrestags hat sie eine Ausstellung konzipiert, die ab morgen noch bis zum 9. November in der Konstantin-Basilika zu sehen ist. Auf diese Weise möchte die Evangelische Kirchengemeinde an die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in der Großregion erinnern. Gezeigt werden Briefe von einigen der Deportierten, oftmals waren es die letzten Lebenszeichen aus dem Getto. Einen Schwerpunkt legt die Ausstellung auf das Schicksal Jakob Hirschkorns.
Ausstellung in der Konstantin-Basilika
Am 1. Januar 1914 war Hirschkorn in eben jenem Lodz zur Welt gekommen, in das die Nazis ihn im Alter von 27 Jahren deportierten. Mit seinen Eltern war er nach dem Ersten Weltkrieg von Polen nach Deutschland übergesiedelt, 1920 kam die Familie an die Saar. „Evakuiert am 17.10.1941“ vermerkte der Echternacher Dienststellenaufseher in Hirschkorns Grenz-Ausweis für den luxemburgisch-deutschen Grenzverkehr.
Die Ausstellung ist von montags bis samstags täglich von 10 bis 18 Uhr und sonntags von 12 bis 18 Uhr in der Konstantin-Basilika zu sehen. Ab November sind die Öffnungszeiten von dienstags bis samstags jeweils von 11 bis 12 und 15 bis 16 Uhr sowie sonntags von 12 bis 13 Uhr.
von Marcus Stölb