„Städtebaulicher Missstand“

Seit annähernd sieben Jahren klafft in der Paulinstraße eine gewaltige Baulücke, nichts deutet darauf hin, dass sie alsbald geschlossen werden könnte. Im Spätsommer 2007 hatte die Stadt ihr Veto gegen Pläne des Investors für ein Wohn- und Geschäftshaus samt Verbrauchermarkt eingelegt. Neue Pläne gab es in den vergangenen vier Jahren nicht; und wird es wohl so schnell auch nicht mehr geben, wie die Architektin des Grundstücksbesitzers am Dienstag gegenüber 16vor erklärte. Der Stadt sei kein Vorwurf zu machen, betonte sie, doch Hoffnung, dass sich am aktuellen Zustand etwas ändern wird, machte sie nicht. Theoretisch könnte die Verwaltung nun mithilfe eines Baugebots Druck machen, doch am Augustinerhof verweist man auf die rechtlichen Risiken einer solchen Maßnahme.

TRIER. Eva-Maria Ladwein weiß, dass sie nicht allzu genaue Prognosen abgeben sollte. Jahres- oder Monatsangaben könnten sie schließlich wieder einholen, spätestens wenn die in Aussicht gestellten Termine verstrichen sein werden, was in ihrem Metier nicht selten vorkommt. Wann denn mit einer Lösung für den Rindertanzplatz zu rechnen sei? „Mittelfristig“, kontert Ladwein, deren Arbeitgeber das Kenner Fliesenzentrum ist, die Frage bewusst unkonkret. Die geschäftsführenden Gesellschafter des Fließenzentrums, im Trierer Volksmund besser als „Platten-Friedrich“ bekannt, sind nicht nur Eigentümer des Rindertanzplatzes, über dessen Bebauung hinter den Kulissen seit etlichen Jahren gerungen und gestritten wird, sondern auch der Brache in der Paulinstraße. Dass es diese Baulücke gibt, ist das Werk der Friedrichs: Im Spätherbst 2004 ließen sie hier drei Gründerzeithäuser abreißen. Die zuständigen Behörden hatten die Gebäude nicht rechtzeitig unter Schutz gestellt. Wie das Rathaus mitteilte, gab es seinerzeit vor Ort einen gemeinsamen Termin der Denkmalpflegeämter von Stadt und Land. Während die städtische Denkmalpflege für eine Unterschutzstellung plädiert habe, hätten die Experten aus Mainz die Schutzwürdigkeit nicht gesehen, weshalb man kein Einvernehmen habe erzielen können.

Als es an die Neubebauung des mehr als 3.200 Quadratmeter großen Areals gehen sollte, spielte die Stadt nicht mit. Der Investor plante ein Wohn-  und Geschäftshaus, außerdem einen Verbrauchermarkt. Aus dem Rathaus hieß es, eine Realisierung dieser Pläne würde eine „stadtunverträglich hohe Ausnutzung“ bedeuten, von fehlenden Stellplätzen und Problemen mit zusätzlichen Immissionen war die Rede. Nachdem die Vorstellungen der Investoren abgelehnt wurden und der Stadtrat im November 2007  den Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan BN 68 „Zwischen Paulinstraße/Maarstraße“ gefasst hatte, wurden der Stadtverwaltung keine weiteren Pläne zur Bebauung des Grundstücks vorgelegt, heißt es auf Anfrage.

Auch Ladwein bestätigt, dass man keinen neuerlichen Anlauf unternommen hat – und derartiges offenbar derzeit auch nicht plant. „Man müsste mit der Stadt reden und mit dem Landesmuseum, weil dort gegraben werden muss“, erklärt sie lediglich, und dass dem Rathaus kein Vorwurf zu machen sei. Warum es dennoch nicht weitergeht? Vielleicht konzentrieren sich die Friedrichs derzeit auf andere Großvorhaben wie die Bebauung des Rindertanzplatzes. Doch auch hier scheinen die Dinge noch nicht so konkret, dass man an die Öffentlichkeit gehen wollte. Das gilt ebenso für ein weiteres Friedrich-Projekt, die Umwandlung eines denkmalgeschützten Anwesens an der Ecke Petrusstraße/Theodor-Heuss-Allee. Vor mehr als drei Jahren wechselte das Gebäude den Besitzer, eigentlich sollte hier ein Hotel entstehen.

Im Rathaus ist man derweil erkennbar entnervt ob des anhaltenden Stillstands in der Paulinstraße: „Im Hinblick auf das Erfordernis zur Beseitigung des durch den Abriss der Gebäude entstandenen städtebaulichen Missstands und auch im Hinblick auf die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum legt die Stadt Trier größten Wert auf eine Neubebauung des Grundstücks und die Schließung der Baulücke“, teilte Pressesprecher Ralf Frühauf auf Nachfrage mit. Derzeit lägen der Verwaltung aber „keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Eigentümer an einer kurzfristigen Schließung der Baulücke interessiert ist“.

Die Stadt könnte nun ordentlich Druck auf den Investor ausüben, doch davor schreckt man am Augustinerhof zurück. Mit dem Baugebot gemäß Paragraph 176 Baugesetzbuch verfügt die Verwaltung durchaus über ein rechtliches Mittel. Demnach kann das Rathaus im Geltungsbereich eines Bebauungsplans den Eigentümer „durch Bescheid verpflichten, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist sein Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu bebauen“. Soweit die Theorie. In der Praxis wären weitere Konflikte programmiert. Denn um ein Baugebot „hoheitlich durchzusetzen, setzt das Baugesetzbuch gemäß Paragraph 175 voraus, dass ‚die alsbaldige Durchführung der Maßnahme aus städtebaulichen Gründen erforderlich ist'“, konkretisiert Frühauf. Dieser Nachweis sei im Einzelfall „schwierig zu erbringen“. Hinzu komme, dass der Eigentümer gemäß Paragraph 176 Baugesetzbuch von der Stadt die Übernahme des Grundstücks verlangen könne, wenn er glaubhaft mache, dass ihm die Durchführung des Vorhabens aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar sei. Hieraus ergebe sich für Stadt ein finanzielles Risiko.Und überhaupt: Man wolle langwierige juristische Auseinandersetzungen vermeiden.

Übrigens: Kürzlich standen sich Stadt und Friedrich GmbH vor Gericht gegenüber. Die Kenner, die in Trier das Altstadt-Hotel sowie das Hotel Römischer Kaiser betreiben, waren gegen die von einer Mehrheit des Stadtrats beschlossene Einführung eine Kultur- und Tourismusfördergabe zu Felde gezogen. In diesem Fall zogen sie den Kürzeren, doch was die Bebauung der Brache in der Paulinstraße anbelangt, scheinen sie am längeren Hebel zu sitzen.

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