„Sie reiten einen toten Gaul“
Der Stadtrat hat sich am späten Donnerstagabend für ein Festhalten am Projekt Moselaufstieg ausgesprochen. Nach einer heftigen und teils polemisch geführten Debatte stimmte eine Mehrheit von CDU, FWG und FDP sowie NPD für einen Antrag, der die Verwaltung dazu auffordert, sich weiterhin für das umstrittene Vorhaben einzusetzen. Union und Liberale griffen OB Klaus Jensen in scharfen Worten an und warfen ihm vor, seine Haltung im Stadtvorstand durchgesetzt zu haben. SPD und Grüne konterten, die Befürworter des Moselaufstiegs hielten an einem „Phantom-Projekt“ fest. Jensen verteidigte seine Ablehnung und argumentierte unter anderem mit dem Verweis auf die Umgehungsstraße in Biewer: unter der hätten heute vor allem Pallien und Trier-West zu leiden. Diese Straße sei ein „klassisches Beispiel dafür, was passiert, wenn etwas nicht zu Ende gedacht ist“.
TRIER. Die Ratssitzung dauerte bereits fast fünf Stunden an, als Ratsmitglied Dr. Johannes Verbeek (parteilos) trocken anmerkte: „Es wird hier langsam etwas heiß“. Das war noch nett umschrieben angesichts der Schärfe, welche die Diskussion über den Moselaufstieg zwischenzeitlich angenommen hatte. Kurz vor dem Kürenzer hatte CDU-Fraktionschef Dr. Ulrich Dempfle das Wort ergriffen und mit beinahe überschlagender Stimme in den Saal gerufen: „Sie versündigen sich an der gesamten Region. Die Bürger müssen wissen, wer schuld ist, dass sie im Verkehr ersticken“. Der Ausbruch des Unionsmanns richtete sich allen voran an die Adresse der Grünen, aber auch der SPD und OB Klaus Jensen, die gegen ein Weiterverfolgen des Projekts Moselaufstiegs votierten.
Vergangene Woche war bekannt geworden, dass der Stadtvorstand in der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause einen Abschied vom Moselaufstieg empfehlen würde. Zwei der vier Mitglieder des Gremiums – Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani (CDU) und Wirtschaftsdezernent Thomas Egger (FDP) – lehnten Jensens Kurs in dieser Frage ab. Doch weil der OB als einziges direkt gewähltes Mitglied der Stadtspitze ein stärkeres Stimmgewicht genießt und Bürgermeisterin Angelika Birk (Bündnis 90/Die Grünen) auf seiner Seite hatte, setzte er seine Auffassung in der Vorlage durch. Sehr zum Missfallen von CDU, FWG und FDP, die schon zuvor einen gemeinsamen Antrag eingebracht hatten, mit dem ein Festhalten des Stadtrats an dem Projekt bei Igel dokumentiert werden soll.
Den Antrag begründete Ex-Sozialdemokrat Peter Spang. „Verkehr macht Lärm, und Lärm macht krank“, gab der FWGler zu bedenken. Jeder LKW, der weniger durch Trier fahre, bedeute weniger Belastung. Spang argumentierte mit einer „Stärkung des überregionalen Verkehrsnetzes“, welche der Moselaufstieg bringen würde, und mit der „Möglichkeit, das Stadtgebiet von Trier zu umfahren“. Sein Fazit: „Der Moselaufstieg muss sein, um eine effiziente Entlastung der Trierer Straßen zu bekommen“. Dieser Position schloss sich erwartungsgemäß auch Thomas Albrecht an, doch verschärfte er sogleich den Ton in Richtung OB: „Fassungslos“ sei er über die Vorlage der Verwaltung. „Herr Oberbürgermeister, ich kann Sie hier nicht aus der Verantwortung entlassen“, fuhr der Mariahofer fort; er sei von Jensens „Verhalten maßlos enttäuscht“ sei. Der OB habe die „Fachdezernentin für Verkehr und den Fachdezernenten“ überstimmt und von seinem Weisungsrecht Gebrauch gemacht, beklagte Albrecht. Nach seiner Meinung wäre es klüger gewesen, der Verwaltungschef hätte sich der Stimme enthalten.
Eine nachträgliche Empfehlung, die Jensen erst mit einem Kopfschütteln quittierte um dann festzustellen, dass er lediglich der Erwartung des CDU-Fraktionsvorsitzenden entsprochen habe. Der habe zu Recht verlangt, dass sich der OB klar positioniere. Es komme in einer solchen Frage darauf an, eine Abwägung zu treffen. Er habe dies getan und er sei sich auch vollkommen im Klaren darüber, dass es sehr gute Gründe für den Moselaufstieg gebe, wiederholte Jensen, was er tags zuvor auch im Interview mit 16vor erklärt hatte. „Es gibt keine leichte Antwort“, befand der OB mit Blick auf die Gemengenlage, um dann ein Beispiel der jüngeren Vergangenheit ins Feld zu führen: die Ortsumgehung von Biewer. Die Bewohner von Biewer seien zwar begeistert von der neuen Straße, doch unter der hätten jetzt vor allem die Palliener und Trier-Wester zu leiden. Das sei „ein klassisches Beispiel dafür, was passiert, wenn etwas nicht zu Ende gedacht ist“. Selbiges sei auch im Fall des Moselaufstiegs zu erwarten, warnte Jensen, beispielsweise mit Blick auf die drohende Mehrbelastung für Zewen.
Unterstützung erhielt er von der SPD. Deren verkehrspolitischer Sprecher Rainer Lehnart verlangte ein „zukunftsfähiges und nachhaltiges Verkehrskonzept“. Zwar räumte auch der Feyener ein, dass der Moselaufstieg für einige Straßen der Talstadt Entlastungen verspreche, für den überregionalen Verkehr sei das Projekt „allerdings unbedeutend“. Lehnart verwies zudem auf den geringen Kosten-Nutzen-Grad, der nur knapp über 1 liege. Eine Realisierung des Moselaufstiegs sei zudem „nachweislich politisch und finanziell in den nächsten Jahrzehnten“ nicht vorstellbar, so der Sozialdemokrat. „Wider besseres Wissen halten Sie an Ihrem Phantomprojekt fest“, warf er den Befürwortern des Moselaufstiegs vor; „der Zug, in dem Sie sitzen, fährt nicht mehr“. Ähnlich äußerte sich Reiner Marz (Bündnis 90/Die Grünen): „Ich bewundere Ihre Beharrlichkeit“, ironisierte Marz, aber „Sie reiten einen toten Gaul wahrscheinlich noch bis zu seiner Skelettierung“. Marz weiter: „Das ist das Problem Ihrer Denke: Sie trauen den Verkehrsmitteln des Umweltverbunds nicht zu, dass sie in der Lage sind, nachhaltige Beiträge zur Lösung unserer Verkehrsprojekte zu leisten“. Silke Reinert (FDP) nahm derweil wieder den OB ins Visier: „Sie sind auch mein Oberbürgermeister und lassen mich und diese Stadt aus parteitaktischen Gründen allein“, warf sie Jensen vor.
Johannes Verbeek brachte auf den Punkt, was sich schon im Vorfeld der Debatte abgezeichnet hatte: „Die Fronten sind eigentlich ganz klar“. Der Parteilose forderte: „Wir sollten dringend umsteuern und den ÖPNV kräftig ausbauen“. Dem hielt Professor Hermann Kleber entgegen: „Die Wirklichkeit ist viel differenzierter“. Zwar sei der Ausbau des ÖPNV unverzichtbar, doch sei Verkehrspolitik „keine Erziehungssache, sondern wir können einzig und allein durch Überzeugung gewinnen“. Dass Jensen die Befürworter des Moselaufstiegs an diesem Abend würde überzeugen können, stand nicht zu erwarten. Doch angesichts der teilweise auch persönlichen Angriffe gegen seine Person sah sich der Stadtchef ebenfalls zu deutlichen Worten veranlasst. „Das ist kein Verrat an den Interessen der Stadt Trier“, widersprach der OB entsprechenden Vorwürfen der Aufstiegsbefürworter.
Mit den Stimmen von CDU, FWG, FDP und NPD fand die Forderung nach einem Festhalten am Projekt Moselaufstieg eine Mehrheit.
von Marcus Stölb