Trierer Rückkehrhilfe für Flüchtlinge in der Kritik
Schon beim Start der so genannten Landesinitiative Rückkehr im Jahr 2005 gab es heftige Debatten: Die sozial-liberale Regierung solle mit dem Geld besser arme deutsche Familien unterstützen, anstatt abgelehnte Asylbewerber zur freiwilligen Rückkehr in ihre Heimat zu bewegen, wetterte seinerzeit die CDU. Während solche Stimmen nach Ende des damaligen Landtagswahlkampfs verstummten, hält die Kritik von Friedens- und Menschenrechtsgruppen bis heute an: Die Diakonie Trier, welche die Rückkehrhilfe für Rheinland-Pfalz koordiniert und ein Büro im Kosovo unterhält, schicke die Flüchtlinge in eine ungewisse Zukunft, meint das Multikulturelle Zentrum. Ein Mitarbeiter wollte sich nun ein Bild von der Situation vor Ort machen, doch die Diakonie gewährt keinen Einblick.
TRIER. Pressekonferenzen, Fachvorträge, Interviews, Einladungen zur Bürobesichtigung – die Diakonie Trier nutzt alle Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit, um über die von ihr koordinierte Landesinitiative Rückkehr zu informieren. Seit 2005 unterstützt sie Gemeinden und Wohlfahrtsverbände in ganz Rheinland-Pfalz dabei, Flüchtlinge in ihre Heimat zurückzuführen. Sie berät und schult Mitarbeiter in den Ausländerbehörden und verteilt die vom Land bereitgestellten Gelder. Bis einschließlich 2011 flossen Mittel in Höhe von insgesamt 9,2 Millionen Euro. Mehr als 1.000 Menschen sind mit Hilfe der Rückkehrförderung seitdem in ihre Heimat zurückgekehrt oder in andere Länder weitergezogen, nach Nigeria oder Indien, in den Kaukasus oder auf den Balkan. Im Kosovo unterhält die Diakonie Trier seit dem Jahr 2007 ein eigenes Büro. Mitarbeiter der Einrichtung in Mitrovica bereiten die Rückkehr vor: Sie suchen nach einer Unterkunft, recherchieren Arbeitsmöglichkeiten und knüpfen Kontakte zu Ärzten und anderen Personen oder Einrichtungen, welche die Rückkehrer benötigen; sie nehmen die Kosovaren bei der Einreise in Empfang und begleiten sie auf ihren ersten Schritten in der alten Heimat.
Berichte darüber hatte Fabian Jellonek bereits auf mehreren Pressekonferenzen und Vorträgen der Diakonie in Trier gehört. Jetzt wollte sich der Mitarbeiter des Multikulturellen Zentrums Trier vor Ort ansehen, wie das Büro in Mitrovica arbeitet und darüber einen Beitrag in der Vereinszeitschrift Grenzwertig veröffentlichen. Also reiste er selbst in das Kosovo – allerdings vergeblich: „Zwar gab man mir aus Trier vorab Meldung, dass ein Termin schwer zu ermöglichen sei, aber dass man mich vor der Bürotür in Mitrovica derart abspeist, hatte ich nicht erwartet. Der Chef sei nicht da. Wo er ist und wann er wieder kommt, wollte niemand wissen“, berichtet er. Er habe seine Kontaktdaten hinterlassen und noch vier Tage im Kosovo auf eine Meldung gewartet – ohne Erfolg. Carsten Stumpenhorst von der Diakonie in Trier erklärt dazu: „Wir haben im Vorfeld der Reise von Herrn Jellonek mitgeteilt, dass ein Termin wegen der momentanen Arbeitsauslastung unserer Mitarbeitenden im Kosovo nur schwer zu realisieren ist.“
Vom Büro im Kosovo selbst gibt es auf Nachfrage von 16vor keine Auskunft zu dem Vorfall. Carsten Stumpenhorst weist aber ausdrücklich darauf hin, dass das Büro im Kosovo schon oft Delegationen empfangen habe. Berichte über dorthin zurückgekehrte Flüchtlinge sind aber bisher nicht erschienen, außer von der Diakonie selbst verfasste. So schildert das Büro in Mitrovica auf Anfrage den Fall einer neunköpfigen Familie, deren Rückkehr in eine gesicherte Existenz die Diakonie „akribisch vorbereitet“ habe. Nach Beschreibung der einzelnen Maßnahmen fasst Nysret Krasniqi zusammen: „Die Familie wurde stets von uns betreut und wir standen ihr als Ansprechpartner jederzeit zur Verfügung. In der Zwischenzeit hat sich die Familie gut in das Umfeld integriert.“
„Rückkehrhilfen können Existenz nicht sichern“
Zum Beleg schickt das Büro Fotos vom neuen Haus der Familie mit. Für die Kritiker der Rückkehrberatung ist das Beispiel noch lange kein Beleg dafür, dass die Integration funktioniert. „Auf einem Vortrag über das Rückkehrprojekt im Rahmen einer Tagung des Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz im Frühjahr 2010 wurden exakt dasselbe Haus präsentiert“, kritisiert Jellonek. Er mutmaßt, dass die Diakonie kaum vorzeigbare Beispiele bringen kann, weil es diese nicht gebe, und verweist auf eine Studie von Pro Asyl, die der Rückkehrberatung ein schlechtes Zeugnis ausstellt: Darin heißt es unter anderem, dass die Überbrückungshilfe kaum das Überleben in den ersten Wochen sichern könne und für die Meisten eine Brücke ins nirgendwo darstelle. Anhand zahlreicher Einzelfälle zeigt die Studie, dass mit dieser Form der Rückkehrförderung die Existenzsicherung im durch Perspektiv- und Arbeitslosigkeit geprägten Kosovo nicht zu bewerkstelligen ist. Fazit der Untersuchung: „Ineffiziente Rückkehrhilfen können Existenz nicht sichern.“
Die Trierer Menschenrechtsgruppen bemängeln, dass die Diakonie den Flüchtlingen keine Alternative zur Rückkehr anbiete. „Das Projekt widerspricht dem bisherigen Verständnis von Flüchtlingsarbeit. Statt ergebnisoffen zu beraten, wird Rückkehr favorisiert“, kritisiert Markus Pflüger von der Trierer Arbeitsgemeinschaft Frieden (AGF). So mache sich die „Diakonie als Teil der evangelischen Kirche zum Handlanger staatlicher Abschiebepolitik“. Carsten Stumpenhorst weist diese Vorwürfe entschieden zurück: „Selbstverständlich ist die unmittelbare Rückkehrberatung mit dem Flüchtling ein integraler Bestandteil einer umfassenden Flüchtlingsberatung.“ So unterhalte die Diakonie eine Flüchtlingsberatungsstelle auf dem Gelände der Erstaufnahmeeinrichtung in Trier, wo auch Verfahrens- und Asylberatung angeboten werden. Darüber hinaus kümmere sich der Migrationsfachdienst in Trier um die Belange von Migranten. „Die Kritik, dass das Diakonische Werk ein `verlängerter Arm der Abschiebebehörden` sei, empfinde ich gerade vor diesem Hintergrund persönlich als sehr schmerzhaft.“
Diakonie Trier wehrt sich gegen Falschaussagen
Die Diakonie sieht ihre Arbeit auch durch Falschaussagen verunglimpft. So behauptet die AGF, der evangelische Wohlfahrtsverband erhalte pro erfolgreich zurückgeführten Flüchtling ein Kopfgeld von 150 Euro. Die Diakonie führt diese Behauptung auf einen bürokratischen Akt zurück, der mittlerweile abgeschafft wurde: So hätten Kommunen, welche die Leistungen des Büros im Kosovo in Anspruch nahmen, pro Rückkehrer 150 Euro an die Diakonie gezahlt. Diese habe das Geld dann an das Land zurückerstattet. „Fakt ist, dass es eine solche Kopfpauschale nicht gibt und auch nicht gab. Wir haben diesen Sachverhalt bereits mehrfach im Rahmen von Interviews, Pressekonferenzen, Tagungen, etc. erläutert, aber offensichtlich ist dieses Thema sehr komplex und eignet sich gut für Polemik, so dass die angebliche ‚Kopfpauschale‘ immer gerne wiederbelebt wird“, so Stumpenhorst.
Rückendeckung bekommt die Diakonie aus Mainz. Im Koalitionsvertrag haben SPD und Grüne das Bekenntnis zur Landesinitiative Rückkehr erneuert. Die genaue Höhe der Förderung wird im nächsten Doppelhaushalt festgelegt. Das neu geschaffene Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen unter der Führung von Irene Alt (Grüne) lobt das Projekt ausdrücklich: „Dieses Landesprogramm ermöglicht den Betroffenen eine Rückkehr in Würde und verbessert ihren Neustart im Heimatland“, erklärt Pressesprecherin Astrid Eriksson. Davon hätte sich Fabian Jellonek gerne persönlich überzeugt. So aber bleibt für ihn der Eindruck: „Dass die Diakonie den Kontakt zu den Betroffenen verwehrt, beweist doch, dass da nicht alles rund läuft.“
von Antje Eichler