Ephorus soll Trierer Plagiatoren aufspüren

Erst Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), dann Silvana Koch-Mehrin (FDP) und jetzt auch der niedersächsische Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) – sie alle sind ins Zwielicht wissenschaftlicher Praxis geraten. An der Universität Trier berät man vor dem Hintergrund der jüngsten Fälle und der anhaltenden Diskussionen über eine Software, die studentische Seminar- und Abschlussarbeiten auf Plagiate überprüfen soll. Auf dem Tarforster Campus favorisiert man ein Programm namens Ephorus, das nach Ansicht der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft aber einige Probleme in sich birgt. Uni-Präsident Professor Peter Schwenkmezger zeigt sich im Gespräch mit 16vor derweil gelassen und verteidigt, was andernorts zu verschwinden droht: sein grundsätzliches Vertrauen in Studierende und Doktoranden.

TRIER. „Ich kann Ihnen sagen“, sagt der Redner, und macht eine lange rhetorische Pause, „es ist ein ganz schlimmes Gefühl, wenn einem deswegen öffentlich der Kopf abgerissen wird“. Jorgo Chatzimarkakis (FDP), der Europa-Abgeordnete unter dringendem Plagiatsverdacht, sprach am vergangenem Donnerstag an der Uni Trier über die Zukunft Griechenlands in der Europäischen Union. Nach dem offiziellen Teil seines Vortrages leitete er, ohne dazu eigens aufgefordert worden zu sein, zu den Vorwürfen gegenüber seiner in Kritik geratenen Dissertation über: „Ich werde jetzt auf ein Thema zu sprechen kommen, das die meisten von Ihnen vermutlich interessiert“.

Interessant ist die Plagiats-Thematik nicht nur für Studierende, sondern auch für das Lehrpersonal der Hochschulen. Während Chatzimarkakis seine Rede hielt, traten auf dem Campus II der Trierer Universität die Dekane der Fachbereiche zusammen, um über den Einsatz einer Software zu beraten, die in Zukunft fremde Federn in studentischen Arbeiten erkennen soll. „Wir beschäftigen uns schon länger mit der Thematik, aber seit dem Plagiatsfall zu Guttenberg hat unsere Motivation einen neuen Auftrieb erhalten“, sagt Universitätspräsident Professor Peter Schwenkmezger. Konzentriert haben sich die Beratungen der Dekanatssitzung auf das Programm Ephorus. Dieses liegt im Ranking der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) zwar nur an dritter Stelle, habe sich jedoch als das passendste Produkt für den Universitätsbetrieb in Trier herauskristallisiert, sagen die Verantwortlichen. „Bei dem Erstplazierten fehlen die Schnittstellen für studentische Arbeiten, bei dem Zweitplazierten müssten sämtliche Daten an einen US-amerikanischen Server überspielt werden“, erklärt Schwenkmezger. Aus diesen Gründen habe man sich für Ephorus entschieden, das auch in finanzieller Hinsicht „tragbar“ sei.

Die Software einer niederländischen Entwicklungsfirma „scannt“ studentische Arbeiten und vergleicht sie mit vorhandenen Publikationen. Das Lehrpersonal soll dadurch in der Überprüfung von Verdachtsfällen entlastet werden. Allerdings berichtet die Bewertung durch die Berliner HTW auch von beträchtlichen Mängeln an dem Programm: Problematisch sei, dass jedes Dokument automatisch in einer Datenbank gespeichert werde, obwohl dies eigentlich der Zustimmung des Autors bedarf. Zudem gibt es praktische Mängel, vor allem bei der Anwendung im deutschsprachigen Raum: „Umlaute in Dateinamen sind problematisch – das System meldet kein Plagiat, obwohl es in einer identischen Datei mit einem Namen ohne Umlaut, Plagiate erkennt. Außerdem überspringt das System einige Worte mit Umlauten, was für deutsche Texte problematisch ist“, heißt es im Testbericht der HTW. Insgesamt relativiert die Fachhochschule überzogene Hoffnungen – selbst die besten Programme fänden nur 60 bis 70 Prozent aller plagiierten Anteile.

Für vielen Lehrende dürfte das Arbeiten mit der Software kein Neuland sein. Bereits jetzt setzen einige Dozenten Probeversionen der Plagiatssoftware für die Überprüfung von Hausarbeiten ein – mitunter erfolgreich. Die Studierenden, denen man unsaubere wissenschaftliche Praxis nachweisen konnte, erwarteten bislang allerdings relativ milde Strafen. „Sie wurden eingeladen und darüber aufgeklärt, was sie getan hatten“, erklärt Schwenkmezger. „Außerdem wurden ihre Scheine nicht ausgestellt.“ Während an anderen Universitäten drakonische Sanktionen von Exmatrikulation bis zu hohen Geldstrafen ausgesprochen werden, sträubt sich der Universitätspräsident gegen einen Generalverdacht gegenüber Studierenden und Doktoranden. „In sehr vielen Fällen würde ich annehmen, dass es sich bei Zitationsfehlern um Nachlässigkeit, nicht um Vorsatz handelt.“ Zwar gelte auch hier die Maxime, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt, „aber dem Studierenden muss auch eine zweite Chance eingeräumt werden, es beim nächsten Mal besser zu machen“. Gerade von Studienanfängern könne man nicht erwarten, dass sie bereits die Gepflogenheiten wissenschaftlichen Zitierens verinnerlicht haben. Eine Plagiaterkennungssoftware kann für Schwenkmezger somit auch im Rahmen des Bildungsauftrags einer Universität dazu beitragen, dass gute wissenschaftliche Praxis eingehalten wird.

Bei Dissertationen liegt der Fall für den Psychologen Schwenkmezger allerdings anders: „Wenn jemand bei einer Dissertation ganz bewusst fremde Quellen verwendet, muss man natürlich prüfen, ob der Vorgang strafrechtlich relevant ist. Darüber müsste aber ein Gericht entscheiden.“ Er kenne an seiner Universität keinen einzigen Fall, in dem vorsätzlich und systematisch plagiiert worden sei, sagt Schwenkmezger; und räumt doch gleichzeitig ein: „Ich glaube aber auch nicht, dass ich über alles Bescheid weiß, was hier passiert. Ausschließen kann ich nichts.“ Ob und wann die Software für die Universität Trier angeschafft wird, soll im Herbst entschieden werden. Der Universitätspräsident, dessen Amtszeit im August endet, spricht eine eindeutige Empfehlung aus. „Schon aus Gründen der Qualitätssicherung sollte wir mit einem solchen Programm arbeiten“, sagt er.

Die Frage nach Vorsatz oder Nachlässigkeit wird auch im Fall Chatzimarkakis den Ausschlag geben. Während der Europa-Abgeordnete sich mit originellen Zitierweisen verteidigt und damit, dass seine Betreuer die Arbeit schließlich durchgewunken hätten, behauptet die Plattform „VroniPlag Wiki“, dass mehr als 70 Prozent seiner Dissertation plagiiert seien. Eine Entscheidung im Fall ihres Doktoranden will die Universität Bonn am Mittwoch bekannt geben. Ein abschreckendes Beispiel für Studierende und Doktoranden ist er schon jetzt.

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.