Marx-Bilder aller Länder vereinigt

Der 195. Geburtstag oder 130. Todestag einer großen Persönlichkeit sind nicht gerade Anlässe für eine Sonderausstellung. Darum soll die am vergangenen Sonntag im Stadtmuseum eröffnete Ausstellung „Ikone Karl Marx. Kultbilder und Bilderkult“ als Etappe zur Vorbereitung seines 200. Jubiläums in fünf Jahren verstanden werden. Zu sehen gibt es 150 Bildnisse von Triers berühmtesten Sohn – von frühen Zeichnungen als Student über Historienbilder und Portraits auf Briefmarken bis zu seinem Konterfei in Werbeanzeigen aus den vergangenen Jahrzehnten. In der vereinfachten, superlativischen und Absolutheitsanspruch erhebenden Diktion der Boulevardmedien könnte man über die Ausstellung schreiben: So sah die Welt Karl Marx.

TRIER. Bis 2009 war Frau Professor Beatrix Bouvier Leiterin des Karl-Marx-Hauses. Im Jahr zuvor traf sie sich bei einem Abendessen mit Dr. Elisabeth Dühr vom Stadtmuseum, um ein letztes großes Projekt zu besprechen. In Triers bestem, nach einer lateinischen Phrase benannten italienischen Restaurant entstand die Idee zu der Ausstellung, die seit vergangenem Sonntag im ersten und zweiten Obergeschoss des Stadtmuseums gezeigt wird.

Genau genommen beginnt die Ausstellung schon im Treppenhaus mit einer technisch faszinierenden Metallraster-Projektion, einer aussagekräftigen Neonreklame und Video-Interviews, in denen Trierer Persönlichkeiten aus den Bereichen Politik, Kirche, Medien, Bildung und Kultur ihr Bild von Karl Marx beschreiben.

Insgesamt möchte die Ausstellung „Ikone Karl Marx“ eine Antwort auf die Frage geben, wie der bedeutende Gesellschaftskritiker in den vergangenen 150 Jahren gesehen und vor allem dargestellt wurde. Auf dem Weg ins erste Obergeschoss kann man ihn sich an der „Marx MashUp“-Medienstation wie ein Anziehpüppchen auch selbst gestalten und mit Körperteilen oder Kleidungsstücken von Prominenten wie Merkel oder Monroe ausstatten.

Es gibt kaum ein Bild von Marx, dass ihn nicht mit weißem Rauschebart zeigt. Seine reiche Kopf- und Gesichtsbehaarung ist zu seinem Markenzeichen geworden. Das hat einen bestimmten Grund: Der junge Marx wurde bildlich kaum festgehalten. Ein Portrait als Student ist weitverbreitet, gilt aber nicht als gesichert. Auch Beschreibungen von Zeitzeugen über dessen Aussehen sind widersprüchlich. Darum prägen Fotografien das spätere Bild und die späteren Bilder. Vor allem die Aufnahmen von John Mayall, für deren Verbreitung Friedrich Engels sorgte, dienten als Vorlage unzähliger Bildnisse nach Marxens Tod.

150 davon (zählt man die Briefmarken einzeln sind es 240) hat das Stadtmuseum aus 45 Häusern in neun Ländern für seine Ausstellung zusammengetragen. Beim Aufbau sind die Kuratorinnen Beatrix Bouvier und Dr. Barbara Mikuda-Hüttel, Kunsthistorikerin an der Hochschule und Expertin für Heiligenikonografie, überwiegend chronologisch und zum Teil kategorisierend vorgegangen.

Vom bereits beschriebenen Weg Marxens in die Ikonografie geht es vorbei an riesigen, von der Trierer Bühnenbildnerin Susanne Weibler gestalteten Zahnrädern – die im zweiten Obergeschoss zu viel Raum einnehmen – zu Gemälden, auf denen Marx als Lichtgestalt der Arbeiterbewegung gezeigt wird – hier allerdings oft noch mit vielen anderen politisch ähnlich Gesinnten wie Ferdinand Lassalle, August Bebel oder Karl Liebknecht. Während er in dieser Phase meist nur im Portrait zu sehen ist – eine der wenigen Ausnahmen ist D. Bernsteins amüsante Darstellung von Marx als modernen Moses -, präsentieren ihn die späteren Historienbilder aus der Sowjetunion und der DDR bei der Arbeit, mit Freunden (Engels, Liebknecht, Heine), mit Arbeitern und mit Familienmitgliedern. Im umfangreichen Katalog (34,95 Euro; im Museumsshop 29,80 Euro) geht die Wirkung dieser meist großformatigen Bilder, besonders von den zwei ausdrucksstärksten dieser Art – „Vor dem Sonnenaufgang“ (M. J. Djanaschvili) und „Karl Marx und Jenny Marx bei der Arbeit“ (Ahmed Ibadullovich Kitaev) -, aufgrund ihrer Ausmaße leider verloren.

Die Monumentalisierung von Marx wird aus nachvollziehbaren logistischen Gründen fast ausschließlich anhand von Fotografien gezeigt. Vier kräftiger Männer bedurfte es bereits, um die gewaltige Bronzebüste der Universität Leipzig auf den Sockel zu hieven. Das Marx-Engels-Denkmal von Ludwig Engelhard in Berlin dient als Beispiel für einen „Denkmal-Streit“, wie es ihn häufig nach dem Ende der DDR gab. Es musste vom einstigen Marx-Engels-Forum umziehen und steht seitdem in der Nähe des Spree-Ufers und der Karl-Liebknecht-Brücke.

Dass Marx nicht nur eine Ikone der Sowjetunion und der DDR war, zeigt die nächste Auswahl mit Objekten beispielsweise aus Ostasien, Afrika und Lateinamerika. Webbilder aus China, ein illustriertes „Kommunistisches Manifest“ aus Mexiko und Briefmarken aus dem Kongo bilden das Portrait des sprachbegabten Universalgelehrten ab und demonstrieren seinen Status oder zumindest seinen Bekanntheitsgrad in diesen Ländern.

Sein markantes Erscheinungsbild eignete sich aber auch besonders zur Ikonisierung, wie der Bereich „Die Ikone Karl Marx zwischen Politisierung und Ästhetisierung“ zeigt. Hier sind überwiegend künstlerische Verfremdungen zu sehen – von der Bronzebüste der Rodin-Schülerin Anna Golubkina über Frida Kahlos „Der Marxismus wird die Kranken heilen“ bis zu Jonathan Meeses „Erzmarx“.

Spätestens mit dieser Ausstellung wird deutlich, dass das Bild von Marx – im Gegensatz zu dem der Ikone Che Guevara – nie losgelöst ist von Inhalten. Dies verdeutlicht auch die letzte Kategorie „Karl Marx als Werbeikone“. Sämtliche Anzeigen funktionieren nur durch einen Bezug zu dessen Ideen oder Positionen.

Obwohl es in der Ausstellung ausschließlich um bildliche Darstellungen geht, wird auch darin das Wirken von Karl Marx transportiert. Zur Vertiefung bietet sich im Vorfeld des Ausstellungsbesuches ein Gang durch das Karl-Marx-Museum an, das ein gutes Grundwissen vermittelt. Dazu wird ein Kombi-Ticket angeboten.

Die Ausstellung „Ikone Karl Marx. Kultbilder und Bilderkult“, die großzügig von der „Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur“ und der „Kulturstiftung Sparkasse Trier“ unterstützt wurde, ist bis zum 18. Oktober im Stadtmuseum zu sehen. Dazu gibt es ein abwechslunsgreiches Begleitprogramm.

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