„Ich bin ein Macher, der den Dialog sucht!“

Triers Oberbürgermeister Klaus Jensen lässt noch offen, ob er wieder antritt. Foto: Marcus StölbMit dem Ende der Sommerferien startet die Trierer Kommunalpolitik in das letzte Jahr der laufenden Wahlperiode. 2014 steht zudem die nächste OB-Wahl an. Im Gespräch mit 16vor-Redaktionsleiter Marcus Stölb äußert sich Amtsinhaber Klaus Jensen (SPD) zur ECE-Debatte und wehrt sich gegen Vorwürfe aus den Reihen der Grünen, er betreibe Politik „in bester Schröer-Manier“. Jensen verteidigt seine bisherige Bilanz, übt scharfe Kritik an Bundesverkehrsminister Ramsauer und der Deutschen Bahn und kündigt an, sich in den kommenden Monaten vor allem um die Wohnungspolitik kümmern zu wollen. 2014 werde mit dem Ausbau der Loebstraße begonnen, auch sei man weiterhin entschlossen, das Projekt Fahrradstation umzusetzen. Er wisse, dass man ihm das Image des Moderators anhängen wolle, so Jensen, doch sehe er sich als Macher, der vor seinen Entscheidungen einen intensiven Dialog führe.

16vor: Herr Oberbürgermeister, vor der Sommerpause tobte eine Diskussion über die Absicht von ECE, in Trier zu investieren. Anfangs wollten Sie die Entwicklungsvereinbarung ohne Beteiligung des Rats unterzeichnen, dann sollte der Steuerungsausschuss sein OK geben, schließlich haben Sie die ganze Sache vertagt. Haben Sie die politische Brisanz von ECE unterschätzt?

Klaus Jensen: Ein Teil Ihrer Behauptung ist schlicht falsch: Für mich war von Anfang an klar, dass es eine Unterzeichnung nur mit Zustimmung der Fraktionen gibt. Dass ECE-Projekte häufig umstritten sind, wusste ich von Kollegen aus anderen Städten. Insofern habe ich die Brisanz nicht unterschätzt. Was ich aber unterschätzt habe, war die Diskussion in Medien, Verbänden und bei Einzelpersonen, die jegliche Differenzierung unmöglich machte; da gab es vonseiten der Kritiker nie die Absicht, eine ergebnisoffene Debatte zu führen.

16vor: Weil es von Beginn an Zweifel gab, dass der Prozess wirklich ergebnisoffen ist.

Jensen: Ich habe immer gesagt, dass für mich völlig offen ist, ob wir zusätzliche Einzelhandelsflächen brauchen. Wenn sich herausstellen sollte, das weitere Flächen kontraproduktiv wären, würde ich das ablehnen. Aber diese Frage muss man doch prüfen. Vor allem aber habe ich gleich deutlich gemacht, dass es für mich immer um das Thema Innenstadtentwicklung als Ganzes ging, also auch um Wohnen und Kultur. So etwas wie die „Rhein-Galerie“ in Ludwigshafen stand für Trier nie zur Debatte!

16vor: Gerade bei den Grünen haben Sie mit dem ECE-Thema viele gegen sich aufgebracht. Sie betrieben Politik „in bester Schröer-Manier“, wurde Ihnen vorgeworfen. Trifft Sie der Vorwurf der Partei, die Sie 2006 bei der OB-Wahl unterstützt hat?

Jensen: Ich weiß nicht, was die mit „Schröer-Manier“ meinen. Ich habe frühestmöglich Öffentlichkeit und Transparenz hergestellt. Es ist völlig legitim zu sagen, wir wollen kein ECE in Trier. Aber was die Grünen machen, ist keine redliche Auseinandersetzung: mir zu unterstellen, ich wollte so etwas wie in Ludwigshafen. Außerdem ist die Position der Grünen in sich widersprüchlich. In anderen Städten haben sie ECE-Projekte maßgeblich vorangebracht oder mitgetragen, beispielsweise in Aachen oder jetzt in Goslar. Im Übrigen: Der Vorwurf, ich würde mauscheln, ist absoluter Quatsch. Sonst hätte ich die Vereinbarung doch unterschrieben.

16vor: Es hat den Anschein, als säßen Sie zwischen allen Stühlen und könnten allenfalls noch auf die Unterstützung Ihrer Partei zählen…

Jensen: Was ECE anbelangt: Als ich die Fraktionen informierte, signalisierten alle grundsätzliche Zustimmung, außer den Grünen; und die FDP war nicht anwesend. Ich hoffe jetzt, dass die Diskussion in ruhigeres Fahrwasser kommt, nachdem sich alle mit dem von mir vorgeschlagenen Verfahren einverstanden erklärten.

16vor: Anfang des Jahres wurde das Mobilitätskonzept beschlossen, das Verbesserungen für den Umweltverbund vorsieht. Papier ist geduldig, wann kommen konkrete Verbesserungen?

Jensen: Sie tun so, als hätten wir erst das „Moko“ abwarten müssen, bevor wir handeln. Das ist falsch! Richtig ist, dass wir aufgrund der Finanznot der Stadt nicht in dem Tempo vorankamen, wie ich mir das wünsche. Ich könnte Ihnen jetzt eine ganze Liste an realisierten Projekten nennen, die dem Radverkehr zugute kommen: Spitzmühle, Herzogenbuscher Straße, längere Öffnungszeiten der Fußgängerzone, Weberbach, Fahrradstreifen, aktuell Richtung Mariahof. Die Loebstraße wäre schon fertig, wenn die Baudezernentin und ich nicht so hartnäckig auf einem Fahrradweg bestanden hätten. Was den Busverkehr anbelangt: Da habe ich erreicht, dass das Angebot wieder aufgestockt wurde, nachdem es zuvor immer wieder ausgedünnt worden war. Zudem gibt es eine Reihe zusätzlicher Busspuren.

16vor: Und trotzdem hat man nicht das Gefühl, dass Trier fahrradfreundlicher geworden ist.

Jensen: Wir sind eine Stadt mit 928 Straßen und wenig Geld. Über Jahrzehnte ist das Thema als Appendix gelaufen. Es gab keinen politischen Willen, dem Radverkehr einen höheren Stellenwert einzuräumen. Den gibt es heute bei fast allen Fraktionen. Ich würde gerne noch ein paar Verkehrsplaner einstellen die dafür sorgen, dass es schneller geht, aber dafür fehlt das Geld. Es wird wahrscheinlich zehn Jahre dauern, bis der Nachholbedarf abgearbeitet ist.

16vor: Sie sprachen die Loebstraße an, die sich zu einer Never-Ending-Story entwickelt hat. Wann ist Baubeginn?

Jensen: Wir haben vier Jahre verloren, weil der Widerstand von zwei Anliegern so heftig war. Dabei ging es denen darum, den Radweg zu verhindern und ein paar Parkplätze zu erhalten. Nun haben wir Baurecht und warten auf die Förderzusage aus Mainz. Die hatten wir schon, aber weil sich der Baubeginn aufgrund der Einsprüche der Anlieger immer wieder verzögerte, konnten die Mittel nicht abgerufen werden und verfielen. Ich rechne fest damit, dass es 2014 losgeht.

16vor: 2008 sagte der damalige Verkehrsminister Hering zu, dass das Land den Bau einer Fahrradstation am Hauptbahnhof mit 85 Prozent unterstützen werde. 2011 sollte die Anlage stehen, 2013 ist von ihr nicht im Ansatz etwas zu sehen.

Jensen: Das liegt nicht an uns, dass wir da noch nicht weiter sind. Aber wir sind mit Hochdruck an dem Projekt dran und verhandeln mit den Stadtwerken und der Bahn. Wir wollen die Fahrradstation, und ich bin auch sehr optimistisch, dass sie kommen wird.

16vor: Kürzlich kündigten Sie und Infrastrukturminister Lewentz an, bis Dezember 2017 entlang der Westtrasse fünf neue Haltepunkte bauen zu wollen. Fürchten Sie nicht, dass Sie mit solchen Versprechungen Frust provozieren, weil kaum vorstellbar ist, dass sich das in diesem Zeitraum bewerkstelligen lässt? Die Zweigleisigkeit nach Igel ist bis heute nicht in Sicht, und die sollte bis 2012 realisiert sein.

Jensen: Was die Zweigleisigkeit anbelangt: Das hat schon eine gewisse Dreistigkeit, dass die Rücknahme der Rücknahme noch als Fortschritt dargestellt wird. Der Zeitplan wäre einzuhalten gewesen, hätten sich 2009 in Berlin nicht die Mehrheiten verändert und der Bundesverkehrsminister das Projekt nicht wieder infrage gestellt. Gemeinsam mit Bund und Land hatte ich die Zweigleisigkeit 2007 auf dem von mir initiierten Verkehrsgipfel eingetütet-

Was die Westtrasse angeht: Entscheidend ist, dass dieses Projekt nun richtig angegangen wird und ich durchgesetzt habe, dass das Land die Finanzierung der Haltepunkte bis auf einen geringen Eigenanteil übernimmt. Ich habe immer gesagt, dass wir das als Stadt nie leisten könnten. Insofern habe ich mich mit meiner Forderung durchgesetzt; und wenn die Stationen 2017 noch nicht stehen, sondern 2018 – dann ist es auch gut. Aber es geht voran.

16vor: Die Bahn hat kürzlich bestätigt, den Fernverkehr nach Trier einstellen zu wollen. Woran liegt es, dass die Bahn die Proteste aus Trier so konsequent ignoriert?

Jensen: An der grundlegend verfehlten Politik der Bahn, nur nach Rendite-Gesichtspunkten zu investieren. Man sieht hier nicht genügend Rendite. Ich glaube aber nicht, dass diese Rechnung aufgehen wird: das Angebot ausdünnen, weil nicht genügend Nachfrage da ist – das führt in eine Abwärtsspirale. Es ist ein fortwährendes Ärgernis, wie die Bahn Trier abkoppelt. Aber wir werden uns weiter dagegen wehren.

16vor: Ein Problem, das vielen Trierern zu schaffen macht: es fehlt an bezahlbarem Wohnraum. Auf dem privaten Markt wird fast nur hochpreisiges Angebot geschaffen. Wann wird die Stadt aktiv, eventuell auch als Bauherr oder über die GBT, an der sie ja maßgeblich beteiligt ist?

KlausJensen21082013HochKleinJensen: Die Stadt wird auf keinen Fall eigene Wohnungen bauen. Wir arbeiten vielmehr auf zwei Ebenen: Das Konzept für die Sanierung der 700 städtischen Wohnungen wird bald vorliegen, dann werden wir mit Hilfe des Landes diese Wohnungen sanieren. Hier ist über Jahrzehnte nichts gelaufen. Was den sozialen Wohnungsbau anbelangt: der hat im ganzen Land seit Jahren kaum noch stattgefunden. Es hat sich schlicht nicht rentiert. Das Land ist dabei, die Förderinstrumente zu modifizieren, und ich will noch in diesem Jahr ein Konzept vorlegen, wie es in Trier in den nächsten Jahren wieder sozialen Wohnungsbau geben kann. So will ich eine Quotierung für private Investoren, die auf städtischem Grund bauen. Am 6. September wird es zudem eine Konferenz mit allen Akteuren im Wohnungsbau geben.

16vor: Im Frühjahr wurde das Schulentwicklungskonzept beschlossen, kurze Zeit später wollte SPD-Fraktionschef Sven Teuber nicht mehr ausschließen, dass Teile hiervon nach der Kommunalwahl auf den Prüfstand kommen. Wie verbindlich ist das Konzept und wie zufrieden sind Sie mit dem jetzigen Umsetzungsgrad?

Jensen: Wir sind alle überrascht von den schnellen Veränderungen beim Anmeldeverhalten. Mit dem Schulentwicklungskonzept bin ich insoweit zufrieden, dass wir erste Maßnahmen schon umgesetzt haben. Seit Schulbeginn werden die Kürenzer Kinder in der komplett sanierten Ambrosiusschule unterrichtet. Natürlich ist das Konzept verbindlich, aber manche Entscheidungen, gerade bei den Realschulen plus, haben wir nicht in der Hand. Hier muss man die weitere Entwicklung der Anmeldezahlen beobachten und dann sehen, ob das Land bereit ist in eine Schule zu investieren, wenn anderswo noch Kapazitäten frei sind. Und ansonsten gelten die Stadtratsbeschlüsse.

16vor: Kürzlich gingen Sie mit einer eigenen Webseite online. Ist die Homepage so etwas wie die Vorbereitung einer erneuten Kandidatur für das Amt des OB?

Jensen (lacht): Nein, die Webseite hat mit der Frage, wie ich mich im Herbst entscheiden werde, nichts zu tun. Es geht mir darum, Interessierten einen Einblick in meine Arbeit zu geben, und es ist auch ein Stück Rechenschaft, die ich ablegen will.

16vor: Wenn Sie nicht antreten sollten, hätten ihre Partei und Ihre Frau doch ein Problem.

Jensen: Wieso? Es gibt viele qualifizierte Menschen, man ist nie unersetzbar!

16vor: Ihr Vorgänger hatte das Image eines Machers, der auch gegen Widerstände Projekte wie die Umgestaltung des Domfreihofs oder die Sanierung des Palais Walderdorffs durchsetzte. Wie sehen Sie sich?

Jensen: An der sehr langen Bilanz umgesetzter Projekte ist erkennbar, dass ich auch ein Macher bin. Dabei ist es mir wichtig, vor den Entscheidungen einen intensiven Dialog zu führen.

16vor: Als Macher werden Sie von vielen nicht wahrgenommen.

Jensen: Ich weiß, dass mir einige das Image anhängen wollen, ich würde nur moderieren. Hier werden jeden Tag Entscheidungen getroffen, und das unter schwierigsten Rahmenbedingungen. Die Stadt steht finanziell enorm unter Druck, wir haben sechs Fraktionen, wir hatten das Problem Babic. Und dennoch wurde unter meiner Führung vieles umgesetzt: Das völlig marode Gebäude J am Paulusplatz ist rundum saniert, Ehrang hat eine Mensa und Turnhalle, ins AVG investieren wir Millionen. Dann die Baugebiete BU 13 und 14, Castelnau, Bobinet, das neue Jobcenter in Trier-West. Außerdem ist es mir gelungen, dass Trier jedes Jahr 9 Millionen Euro aus dem Kommunalen Entschuldungsfonds bekommt und ab nächstem Jahr 14 Millionen mehr aus dem Kommunalen Finanzausgleich. Wenn ich kein Macher wäre, wäre vieles von dem nie angepackt worden.

16vor: Für den Fall, dass Sie nicht mehr antreten werden: Was wollen Sie bis zum Ablauf ihrer ersten Amtszeit im März 2015 noch anpacken?

Jensen: Mir geht es jetzt vor allem um die Weichenstellungen für das Theater, das der Kollege Egger und ich in seiner jetzigen Struktur erhalten wollen. Auch das Projekt neue Hauptwache für die Berufsfeuerwehr soll noch 2014 auf den Weg gebracht werden. Vor allem aber wird das Thema Schaffung von bezahlbarem Wohnraum große Bedeutung haben, mindestens so sehr wie die Schulen.

16vor: Genug Stoff also für eine weitere Amtszeit!

Jensen (lacht): Da spräche in der Tat einiges für.

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