Jensen will Triers Hexen rehabilitieren

Eine spektakuläre musikalische und visuelle Aufführung soll es werden – das Konzert, das Spee-Chor und Kurpfälzisches Kammerorchester an diesem Sonntag geben werden. Im Mittelpunkt von Joachim Reidenbachs Komposition „Der Richter muss brennen“ steht das Schicksal Dietrich Flades, der vor 423 Jahren hingerichtet wurde. Seither zahlt die Stadt aufgrund einer Verpflichtung aus Flades Nachlass Zinsen an die katholische Kirche. Daran werde auch nicht gerüttelt, stellt man im Rathaus klar, doch auf Nachfrage machte der Oberbürgermeister jetzt gegenüber 16vor eine bemerkenswerte Ankündigung: Jensen will die Frauen und Männer, die der Hexenverfolgung zum Opfer fielen, rehabilitieren. Damit würde Trier dem Beispiel anderer Städte folgen: So beschloss der Kölner Stadtrat im vergangenen Frühjahr die „sozialethische Rehabilitation“ von 38 Hexen.

TRIER. Nichts am Haus Grabenstraße Nummer 13 erinnert mehr an das unrühmliche Kapitel Stadtgeschichte, das hier geschrieben wurde. Dass der Reformator Caspar Olevian in dem Gebäude geboren wurde, ist einer Bronzetafel zu entnehmen, doch dass das Anwesen einst auch als „Gerichtshaus“ diente, in dem im 15. und 16. Jahrhundert die Trierer Hexenprozesse stattfanden, wissen nur Eingeweihte; Bürgerinnen wie Herta Häfele-Kellermann etwa.

Im Juni 2009 wandte sich die Trierer Verlegerin an die Stadt: Nach der Renovierung des Hauses sei eine zuvor vorhandene Tafel dort nicht mehr angebracht worden, bemerkte sie in ihrem Schreiben. Das sei bedauerlich, denn damit würden Passanten und Touristen „für die Stadtgeschichte nicht unwesentliche Informationen“ vorenthalten. Im Denkmalpflegeamt räumte man den Verlust umgehend ein: „Leider konnten wir bisher nicht in Erfahrung bringen, wo sich die Tafel befindet. Das Schild hängt schon seit längerer Zeit nicht mehr an dem Gebäude; wann und von wem es abgenommen wurde, entzieht sich unserer Kenntnis“, teilte Amtsleiterin Dr. Angelika Meyer in ihrem Antwortbrief mit und stellte bei der Gelegenheit in Aussicht, dass eine neue Informationstafel am Gebäude angebracht werde.

Eigentlich keine Hexerei, doch noch immer fehlt die Tafel. Als Häfele Kellermann daraufhin im vergangenen Herbst wieder nachhakte, ließ man sie nun wissen: „Im Sommer dieses Jahres wurde die Zuständigkeit für die Installation von Hinweisschildern an denkmalgeschützten Gebäuden an die Tourist-Information Trier übertragen“. Die Texte würden aber „weitgehend“ vom Denkmalpflegeamt verfasst. Dann sei jedoch wieder die TIT am Zuge, denn diese müsse für die Übersetzung ins Englische sorgen – auf einen Informationstext in französische Sprache werde verzichtet. „Wir werden uns bemühen, dass diese Informationstafel so schnell wie möglich am Gebäude angebracht werden kann“, versprach Meyer und bat um Geduld – weil „noch zahlreiche andere Arbeiten in unsere Zuständigkeit fallen“. Fast ein Jahr später hat sich erkennbar noch immer nichts getan. „Schwierig zu verstehen“ sei das, sagt Häfele-Kellermann im Gespräch mit 16vor. Die Verlegerin ist um diplomatische Formulierungen bemüht, doch die Enttäuschung merkt man ihr an. Offenbar bestehe in der Verwaltung kein wirkliches Interesse daran, sich mit dem Thema Hexenverfolgung auseinanderszusetzen, mutmaßt sie.

Ein dunkles Kapitel und die Lichtgestalt Spee

Dabei könnte Trier die Erinnerung an dieses düstere Kapitel der Stadtgeschichte mit dem Gedenken an eine Lichtgestalt verknüpfen: Friedrich Spee. Der Verfasser der „Cautio Criminalis“ war einer der prominentesten Kritiker der Hexenjagd. Spee kritisierte früh den Einsatz von Folter zur Erzwingung von „Geständnissen“ und wurde so auch zu einem Vorkämpfer der Menschenrechte. 1635 starb er, seine letzte Ruhe fand er in der Jesuitenkirche. Es gibt einen Friedrich-Spee-Chor und eine Friedrich-Spee-Gesellschaft, ebenso ein Friedrich-Spee-Gymnasium; und die nach Spee benannte Straße zählt zu den schönsten der Stadt. Doch dass Touristen auf diese bedeutende Persönlichkeit aufmerksam gemacht würden, lässt sich schwerlich behaupten. Geht es nach Häfele-Kellermann, dann muss sich auch das ändern: Eine Stele mit Konterfei solle Spees Lebensleistung gebührend würdigen, schlug sie dem Oberbürgermeister vor. Der erklärte nun auf Anfrage, dass er „dazu beitragen“ wolle, dass die Erinnerung an Friedrich Spee, den auch Jensen zu den „großen Trierer Persönlichkeiten“ zählt, „wieder stärker ins Bewusstsein gerückt wird“. Es sei deshalb geplant, gemeinsam mit der Friedrich Spee Gesellschaft Gespräche zu führen, damit ein abgestimmtes Vorgehen gewährleistet sei.

Konkreter klingt da schon die Ankündigung, die Jensen jetzt auf eine weitere Anregung Häfele-Kellermanns hin machte: Er plane eine „Rehabilitation“ der verbrannten Hexen, erklärte der OB auf Anfrage gegenüber 16vor. Damit würde die Stadt dem Beispiel anderer Kommunen folgen. So beschloss die Stadt Köln im Frühjahr die „sozialethische Rehabilitation“ von insgesamt 38 Frauen und Männer, die Opfer des Hexenwahns geworden sind. Da die Domstadt nicht die Rechtsnachfolgerin des damaligen Gerichts ist, handelte es sich um einen eher symbolischen Akt handelt. Es sei darum gegangen, ein Zeichen zu setzen um deutlich zu machen, dass die damaligen Urteile Unrecht und die Frauen und Männer unschuldig waren, erklärt ein Sprecher des Kölner Rathauses. In welcher Form die Rehabilitation der Trierer Hexen stattfinden könne, sei noch nicht geklärt, heißt es derweil aus dem Rathaus. Jensen möchte hierüber mit Fachleuten und politischen Mandatsträgern beraten, erste Gespräche hätten schon stattgefunden. Der OB plädiert zudem dafür, „das stärkere Gedenken an Friedrich Spee und die nachträgliche Rehabilitation der Hexenopfer im Rahmen eines weiteren wichtigen Beitrags zur Erinnerungskultur als gemeinsame Aufgabe anzugehen“.

Unter den zu Rehabilitierenden befände sich wohl auch Dietrich Flade. Der Trierer Schultheiß führte im 16. Jahrhundert selbst Hexenprozesse gegen mindestens acht Triererinnen. Doch dann wurde der Wahn auch ihm zum Verhängnis: Flade wurde schließlich als angeblicher Hexenmeister verurteilt und hingerichtet, der Richter musste brennen. Die Schriftstellerin Josefine Wittenbecher hat den Fall in ihrem historischen Roman „Tödliche Feuer“ nachgezeichnet. Flades Tod belastet unterdessen weiter die Stadt, zumindest deren Haushalt. Denn der Richter und frühere Rektor der alten Trierer Universität lieh zu Lebzeiten den damals Verantwortlichen im Rathaus einmal 4.000 Goldgulden. Kaum war der angebliche Hexenmeister hingerichtet, da nutzte der Kurfürst die Gunst der Stunde, kassierte den Schuldschein ein und verfügte, dass die Stadt fortan die Zinsen an die Innenstadtpfarreien zu zahlen hatte. Aktuell fließen so an die Pfarrei Liebfrauen rund 360 Euro jährlich.

Pfarrei Liebfrauen besteht auf Flade-Zahlungen

Weniger die Höhe des Betrags denn die Zahlung als solche sorgt immer wieder für Diskussionen. 2010 führt der OB ein Gespräch mit Verantwortlichen der Kirche, doch die blockten ab: „Die Pfarrei Liebfrauen vertritt die Auffassung, dass der Titel im Haushalt erhalten bleiben müsse. Er ermögliche an dieser Stelle eine ständige Erinnerung an die Opfer des Hexenwahns“, erklärte eine Sprecher des Rathauses jetzt den damaligen Sachstand, der auch heute noch Gültigkeit habe. Das Geld komme ausschließlich sozialen Zwecken zugute, und zwar den „über das Jahr bei der Pfarrei vorstellig werdenden Bettlern“, heißt es. Die Ratsfraktionen seien über diese Position unterrichtet, Widerspruch hiergegen sei nicht erhoben worden.

Derweil wird die Tafel in der Grabenstraße wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen. Das Schild ist noch nicht in Auftrag gegeben, „die Abstimmung mit dem Eigentümer und dem Ladenmieter, die Klärung der Finanzierung sowie die Beauftragung der Anfertigung und Anbringung der Tafel ist ein zeitaufwendiger Prozess“, heißt es aus der Verwaltung. Dabei ließe sich zumindest die Finanzierung rasch lösen: Patrick Sterzenbach, Inhaber des Ladenlokals im ehemaligen „Gerichtshaus“, bestätigte auf Anfrage seine Bereitschaft, sich an der Finanzierung einer Acryltafel zu beteiligen oder diese auch komplett zu finanzieren. „Natürlich ist mir das weiterhin wichtig“. Der Stadt sei das Angebot schon seit längerem bekannt, so Sterzenbach.

Das Werk „Der Richter muss brennen!“ wird an diesem Sonntag um 18 Uhr in der Abteikirche St. Maximin aufgeführt. Dem Konzert voran geht ein Einführungsvortrag von Dr. Rita Voltmer, die den Text zu der Komposition von Joachim Reidenbach  verfasste. Voltmer lehrt und forscht an der Universität Trier, zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen die Hexenverfolgungen in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Weitere Informationen zum Konzert finden Sie auf folgender Homepage

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