„Ein bisschen Feuer ist auch ganz gut“

Zwischen 150 und 250 Millionen Euro sei man „bereit und in der Lage“, in Trier zu investieren, erklärte der Vertreter des Hamburger Projektentwicklers ECE. Sein Unternehmen wolle sowohl einen Standort zwischen Simeonstraße und Pferdemarkt, als auch den Bereich um die Europahalle entwickeln, ließ er wissen. Für letztere hat sich das Unternehmen bereits ein exklusives Vorkaufsrecht gesichert. OB Klaus Jensen (SPD) sprach dennoch von einem „absolut ergebnisoffenen Prozess“, man stehe ganz am Anfang, es gebe „keine Bindungen oder irgendwelche Festlegungen“. Zugleich machten OB und Dezernenten aber deutlich, dass sie durchaus eine Notwendigkeit für zusätzliche Einzelhandelsflächen in Trier sehen. Der ECE-Manager erklärte schon mal an die Adresse der hiesigen Geschäftsleute: „Klagen gehört zum Handel, aber ein bisschen Feuer ist auch ganz gut“.

TRIER. Seit diesem Donnerstag hat Trier einen Süd- und einen Nordpol. Als solche bezeichnet Gerd Wilhelmus die beiden Bereiche für eine „potenzielle Quartiersentwicklung mit Einzelhandelsnutzungen“, die das Unternehmen in den kommenden Monaten gemeinsam mit der Stadt unter die Lupe nehmen will. Triers „Nordpol“ erstreckt sich demnach von der Simeonstraße bis zum Pferdemarkt und umfasst auch die beiden Warenhäuser Karstadt und Kaufhof. Am „Südpol“ liegen unter anderem das marode Theater und die in die Jahre gekommene Europahalle; und weil für letztere absehbar der Pachtvertrag ausläuft, hat es ECE zunächst auf diesen Bereich abgesehen – und macht zugleich deutlich, dass man ein ernsthaftes Interesse an beiden Standorten hat. Oder wie es Wilhelmus ausdrückte: „Wir haben eine klare Präferenz für sowohl als auch“.

Fast eineinhalb Stunden dauerte die Pressekonferenz im Rathaus, in der Stadtvorstand und ECE erstmals umfassend über das Ansinnen des Hamburger Projektentwicklers informierten, in Trier zu investieren. Allen voran Klaus Jensen war erkennbar darum bemüht, der bereits in Gang gekommenen Diskussion ihre Spitze zu nehmen. Vor allem lag dem OB daran, dem Eindruck entgegenzuwirken, die Sache sei faktisch schon entschieden, die Stadt habe das Heft des Handelns bereits aus der Hand gegeben. Man stehe „noch ganz am Anfang“ eines „absolut ergebnisoffenen Prozesses“, versicherte Jensen, und dass man in den nächsten Jahren feststellen wolle: „was ist gut, was ist schlecht für die Stadt und was braucht sie?“ Es gehe um die „multifunktionale“ Entwicklung von Stadtquartieren, bei denen durchaus Potenzial und Optimierungsbedarf bestehe, und es gehe auch nicht allein um Shopping, sondern auch um Wohnen und Kultur. So kann der Bereich um die Europahalle in der Tat eine Aufwertung vertragen, und weil der Vertrag der Stadt mit dem derzeitigen Pächter der Halle in den nächsten Jahren ausläuft, muss sich das Rathaus ohnehin etwas einfallen lassen. Aber, so der OB, „es gibt keine Bindung und auch nicht irgendwelche Festlegungen“.

In einem Punkt scheint für die Verwaltung schon jetzt Klarheit zu herrschen: Wenn Trier nicht weiter an Einzelhandelszentralität verlieren will, muss die City weiterentwickelt werden; und das sowohl qualitativ als auch quantitativ, so Wirtschaftdezernent Thomas Egger (FDP). Der hiesige Einzelhandel sei zwar sehr stark von inhabergeführten Fachgeschäften geprägt und das zeichne Trier auch aus, doch um im Wettbewerb mit anderen Standorten dauerhaft bestehen zu können, reicht das allein nicht mehr, ist der Freidemokrat überzeugt. Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani (CDU) erklärte, es gelte das „Einkaufserlebnis zu bewahren und auszubauen“. Am Ende müsse dann der Stadtrat entscheiden, ob die Vorteile der Projekte überzeugten und diese „nachhaltig und zukunftsweisend“ für Trier seien. Soll heißen: Der Primat werde weiter bei der Kommunalpolitik liegen.

ECE möchte zwei Standorte entwickeln

Der stehen in jedem Fall heiße Diskussionen ins Haus. ECE-Manager Wilhelmus machte am Donnerstag jedenfalls deutlich, dass der vor allem von Jensen viel beschworene Wunsch nach einem „intensiven Dialog“ und einer möglichst einvernehmlichen Lösung nicht darüber hinweg täuschen kann, dass der Konzern klare Interessen verfolgt – und gedenkt, diese auch durchzusetzen. Mit Blick auf Skepsis und Befürchtungen vonseiten der City-Initiative oder des Einzelhandelsverbands erklärte Wilhelmus:“Klagen gehört zum Handel“, dafür habe er auch durchaus Verständnis; aber „ein bisschen Feuer ist auch ganz gut“. Sodann berichtete er von Braunschweig, wo die ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG das Projekt „Schloss Arkaden“ entwickelte. Kaum habe man dort die Baugenehmigung in der Tasche gehabt, hätten rundherum die Eigentümer begonnen, ihre Immobilien auf Vordermann zu bringen. „Wir sind Kaufleute“, machte Wilhelmus weiter deutlich, dass er und seine Kollegen sich zuvorderst ihrem Unternehmen verpflichtet fühlen.

Doch zugleich erklärte er, man wolle in Trier einen neuartigen Weg gehen. In anderen Städten habe man erst Grundstücke zusammengekauft und dann eine Bauvoranfrage gestellt. Mancherorts regte sich daraufhin massiver Widerstand aus der Bürgerschaft, ECE reagierte und setzte sich häufig durch. In Trier hingegen wolle man gemeinsam mit der Stadt schauen, welche Quartiersentwicklungen sich für die beiden ins Auge gefassten Bereiche anböten. Ob ECE vor Ort bereits Grundstücke erworben hat? Zu Grundstücksfragen gebe er grundsätzlich keine Auskünfte, antwortete Wilhelmus und lächelte viel sagend.

Die Entwicklung in umliegenden Mittelzentren wie Bitburg und Wittlich, vor allem aber im Großherzogtum ist aus Sicht der Stadt und des potenziellen Investors einer der wesentlichen Gründe dafür, über eine Ausweitung der Verkaufsflächen in Trier nachzudenken. Denn die Moselstadt habe in den vergangenen Jahren im Wettbewerb der Standorte Federn gelassen, gab Dr. Johannes Weinand, Leiter des Amts für Stadtentwicklung und Statistik zu bedenken. So sei die Einzelhandelszentralität zwischen 2006 und 2011 von 232 auf 200 Punkte gesunken – und das, obwohl zwischenzeitlich die „Trier-Galerie“ ihre Pforten öffnete. Weinand schätzt, dass ohne diese Shopping-Passage der Wert nur noch bei 190 läge. Dennoch könne Trier nach wie vor mit einem Spitzenwert in Deutschland aufwarten, so Weinand weiter, und bislang fließe dem Einzelhandel der Stadt auch noch das Zehnfache dessen zu, was an Trierer Kaufkraft in andere Städte abfließe.

Sind die Hamburger auch in Luxemburg engagiert? Kein Kommentar!

Allerdings schläft die Konkurrenz nicht, und allein in Luxemburg sind drei Großprojekte am Start, die unter anderem Betrieben in den Branchen „Bekleidung“ und „Elektronik“ zusetzen dürften. „In Luxemburg wird massiv aufgerüstet“, warf Wilhelmus ein. Nach dieser Feststellung hätte man gerne gewusst, ob denn die europaweit aktive ECE auch in eines der vielen Projekte im Großherzogtum involviert ist? Dazu wolle er nichts sagen, antwortete der Manager auf eine entsprechende Nachfrage von 16vor. Gleichwohl ließ er durchblicken, dass sein Unternehmen auch den Markt im Nachbarland sondiert. Unabhängig davon sieht Wilhelmus enormes Entwicklungspotenzial in Trier. „Die Situation der Treveris-Passage ist nicht berauschend“, bemerkte er. Mit Blick auf den Bereich zwischen Europahalle und Augustinerhof befand Wilhelmus: „So ganz lebendig ist das nicht“. Sodann kündigte er an: „Wir wollen gemeinsam beide Pole entwickeln“ und „sicherstellen, dass alles sehr verträglich geschieht“. 

Bei den Grünen hegt man schon jetzt ernsthafte Zweifel, ob der Prozess wirklich so ergebnisoffen ist, wie von Jensen versichert. Am Mittwochabend erst wurden die Ratsfraktionen informiert, am Tisch des Ältestenrats saßen auch Vertreter von ECE. Das sei „wenig hilfreich“ gewesen, kritisierte der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Ratsfraktion, Richard Leuckefeld, noch vor der Pressekonferenz in einer Mitteilung; „eine unbefangene und kritische Diskussion in Anwesenheit des Vertragspartners ist kaum möglich“. Dass ECE von Beginn an intensiv mit eingebunden werden soll, stößt den Grünen auf: „Vergleichbar ist dies damit, als wenn man die Fleischerinnung eine Studie zur vegetarischen Ernährung erstellen lässt. Das Ergebnis ist absehbar.“ Jensen betonte, sämtliche Gutachten im Vorfeld würden von der Stadt finanziert. Welche Büros beauftragt würden, entscheide der Rat. Der OB verteidigte das Vorgehen der Verwaltung. Es handele sich „um ein Verfahren, das so noch nicht gegeben hat. Wir entwickeln etwas gemeinsam“. Jensen sprach von einer „ganz ganz großen Chance“.

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