„Die haben hier nichts verloren!“

Ein Gerücht geht um in Mariahof: Die NPD wolle in einem verwaisten Ladenlokal Büroräume anmieten, erzählt man sich im Stadtteil. Da sei nichts dran, versichert der Vermieter der Immobilie gegenüber 16vor, und „wenn sich einer von denen bei mir melden sollte, wäre das Gespräch auch nach einer Sekunde beendet“, versichert er. Beendet ist einstweilen der Versuch von Safet Babic, über den Rechtsweg seine Rückkehr in den Stadtrat zu erstreiten. Am Mittwoch bestätigte das Oberverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit seines Rauswurfs. Eine Revision ließ das OVG nicht zu. OB Klaus Jensen (SPD) begrüßte die Entscheidung der Koblenzer Richter. Diese untersagt dem NPD-Funktionär indes nicht, bei der Kommunalwahl 2014 wieder anzutreten, wie ein Sprecher des Mainzer Innenministeriums auf Anfrage erklärte.

TRIER. Einem Lauffeuer gleich verbreitete sich dieser Tage die angebliche Nachricht. Die rechtsextreme NPD werde das seit längerem leer stehende Ladenlokal des früheren Lebensmittelmarktes mieten und dort eine Art Geschäftsstelle einrichten, erzählte man sich im Stadtteil Mariahof. Manch einer wähnte schon ein Szenario wie jenes in Delmenhorst vor sich, wo die rechtsextreme Partei ein Hotel erwerben wollte und Bürger rund eine Million Euro sammelten, damit die klamme Stadt die Immobilie kaufen und schließlich abreißen konnte – auf dass das Hotel nicht den Rechten in die Hände falle. Der Eigentümer des Mariahofer Ladenlokals spekuliere wohl auch darauf, mit der Aussicht auf rechte Interessenten die Mietkonditionen für sein Objekt hoch zu treiben, mutmaßte ein Anwohner. Andernorts habe das doch auch schon funktioniert.

Der Vermieter, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will, muss solche Spekulationen als üble Nachrede empfinden. Als 16vor bei ihm nachfragt, was denn an der Sache dran sei, reagiert er einigermaßen entnervt: „Sie sind jetzt mindestens der zehnte, der mich das fragt“, entgegnet er dem Anrufer freundlich und doch spürbar aufgewühlt, um sodann zu ergänzen: „Nie würde ich an die vermieten, und es hat auch noch niemand von denen nachgefragt“. Mag der Laden auch seit zwei Jahren leer stehen – aus Verzweiflung an zweifelhafte Zeitgenossen zu vermieten, das komme für ihn nicht infrage. Und als sei das noch nicht deutlich genug, fügt der Eigentümer hinzu: „Wenn sich einer von denen bei mir melden sollte, dann wäre das Gespräch nach einer Sekunde beendet“.

Auch in der Mariahofer Gutsschänke braucht die NPD nicht mehr aufkreuzen. Kürzlich wollte die Partei hier einen Raum reservieren, für einen Vormittag im April. Eine Versammlung habe Safet Babic geplant, berichtet der Pächter der Kneipe, den sie hier alle nur „Pierre“ nennen. Als der NPD-Mann im Lokal gewesen sei, habe seine russische Mitarbeiterin nicht sofort erkannt, mit wem sie es zu tun hatte, berichtet Pierre weiter und betont: „Natürlich werden die hier keine Versammlung abhalten, die haben hier nichts verloren!“. Außerdem könne man sich ja denken, was er von der NPD halte: „Ich bin Luxemburger und meine Mitarbeiterin ist Russin“, sagt er, da sei es doch aberwitzig zu glauben, eine ausländerfeindliche Partei könne bei ihm eine Versammlung abhalten.

Mindestens zweimal in den vergangenen Wochen soll die NPD mit ein paar Leuten in der Ladenpassage des Stadtteils aufgetaucht sein, berichten Anwohner. Ortsvorsteherin Maria Marx (CDU) versichert aber, dass sie keine Hinweise auf ein verstärktes Engagement der Rechten auf dem Mariahof habe. Das bestätigt auch Ortsbeiratsmitglied Jutta Albrecht: „Das wäre mir aufgefallen“, sagt die Unionsfrau und stellt gleich darauf klar: „Aber das heißt ja nicht, dass wir nicht wachsam bleiben müssen“. Ähnlich äußert sich Sozialdemokratin  Begoña Hermann, die ebenfalls sagt, dass ihr von größeren Aktivitäten der NPD im Stadtteil nichts bekannt sei, man aber aufmerksam bleiben müsse.

Tatsächlich hat die rechtsextreme Partei aber ihre Aktionen in den vergangenen Monaten im Stadtgebiet verstärkt. An vereinzelten Tagen tauchte eine kleine Ansammlung von NPD-Sympathisanten gleich an mehreren Stellen Triers auf und skandierte ihre hohlen Parolen. Meist fanden die Rechten wenig Beachtung – oder es fanden sich couragierte Bürger, die lautstark protestieren. So war es etwa im Februar in Ehrang: Während ein halbes Dutzend Rechtsextremer am Peter-Roth-Platz eine Kundgebung abhielt, störten rund 20 Ehranger Bürger und Passanten mit Rufen die Kundgebung. Von den Parolen sei dann nicht mehr viel zu hören gewesen, berichtete ein Teilnehmer der spontanen Gegenveranstaltung hernach gegenüber 16vor; „es zeigte sich, dass auch in Ehrang kein Platz für Nazis ist“.

Im Stadtrat steht der NPD derweil noch bis zum Ende der laufenden Wahlperiode ein Platz zu. Der ist seit September 2011 vakant – seit der Rat Safet Babic ausschloss. Am Mittwoch scheiterte der NPD-Kreischef erneut mit seinem Ansinnen, über den Rechtsweg seine Rückkehr in den Rathaussaal zu erstreiten (wir berichteten). Das Oberverwaltungsgericht erklärte seinen Rauswurf für rechtens und befand, Babic habe „grundlegende Anforderungen an die politische Auseinandersetzung im demokratischen Rechtsstaat auf eklatante Weise missachtet und zugleich das Ansehen des Stadtrates in besonders starkem Maße beschädigt“. So sieht es auch der Oberbürgermeister, der in einer Stellungnahme zum Urteil wissen ließ: „Ich habe nichts anderes erwartet und freue mich natürlich darüber, dass das Gericht die Auffassung des Rates geteilt hat und das Urteil so ausgefallen ist“. Dann schloss sich Klaus Jensen fast wortgleich den Formulierungen des Koblenzer Gerichts an: „Es kann schlichtweg nicht sein, dass eine Person, die grundlegende Anforderungen an die politische Auseinandersetzung im demokratischen Rechtsstaat auf so eklatante Weise missachtet und damit zugleich das Ansehen des Stadtrates stark beschädigt, weiterhin dem Rat angehören kann.“ Das OVG ließ eine Revision nicht zu, doch kann Babic gegen diese Nicht-Zulassung Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen.

Was die Entscheidung des OVG, wie auch all die vorangegangenen von Land- und Verwaltungsgerichten, nicht verhindern – dass die NPD im kommenden Jahr wieder mit Safet Babic an der Spitze antreten könnte. Denn ungeachtet der juristischen Auseinandersetzung dürfte der rechtsextreme Funktionär im Sommer 2014 rein rechtlich gesehen wieder antreten. Das bestätigte am Mittwoch das Mainzer Innenministerium auf Anfrage gegenüber 16vor : Babic sei „für die Dauer der Legislaturperiode ausgeschlossen, kann aber bei der nächsten Wahl wieder antreten“, erklärte ein Ministeriumssprecher. Denn das OVG Koblenz habe lediglich darüber zu befinden gehabt, ob der Regelungsgehalt des Paragraphen 31 der Gemeindeordnung verfassungsgemäß sei. „Anders wäre der Fall, wenn ein Strafgericht dem Stadtrat Babic nach Paragraph 45 Strafgesetzbuch (StGB) wegen einer schweren Straftat das passive Wahlrecht entzogen hätte. Dann könnte er für bis zu fünf Jahre bei keiner Wahl mehr als Kandidat antreten“, so der Sprecher weiter.

Die Entscheidung, ob Babic und die NPD dauerhaft aus dem Rat ausgeschlossen bleiben, liegt im nächsten Jahr also wieder bei den Trierern. Für Pierre von der Mariahofer Gutsschänke ist jedenfalls schon jetzt klar: Bei der nächsten Kommunalwahl kommt es mehr denn je auf eine hohe Beteiligung an. „Jeder, der nicht wählen gilt, hilft denen doch“, sagt der Luxemburger und appelliert an seine Gäste an der Theke, ihr Wahlrecht zu nutzen, um so einen Wiedereinzug der NPD in den Stadtrat zu verhindern.

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