Für Kater, Koi und Co. auf Achse

Waschbär Elvis (2)Wenn Bello die Pfote juckt, Fridolin schlecht ist oder der Koi im hauseigenen Teich Probleme mit dem Schuppenkleid hat, ist Isabell Reißmann gefragt. Seit Oktober 2011 rollt die selbstständige Tierärztin bis zu viermal wöchentlich mit ihrer weiß-grünen Tierarztpraxis durch Trier und die Region. Die Idee des mobilen Behandlungszimmers kommt bei den Tierbesitzern gut an, und so konnte sich die junge Ärztin in den letzten Jahren bereits einen treuen Kundenstamm aufbauen, der bis weit über die Grenzen der Moselstadt hinaus reicht und inzwischen von Luxemburg bis Neumagen-Dhron reicht.

TRIER. „Hallo, da ist ja das Mäxchen“. Reißmann zieht die schwere weiße Tür ihres umgebauten Rettungswagens an diesem Tag zunächst am Trimmelter Hof auf. Freudestrahlend begrüßt sie ihren Patienten, eine rothaarige Katze, und deren Halterin, die mindestens genauso nervös wirkt wie das Tier selbst. Mäxchen, von der alle bisher dachten er sei ein Kater, sitzt ängstlich und zusammengekauert in der hintersten Ecke ihrer Transportkiste, denn sie wird heute nicht nur geimpft, sondern auch kastriert. „Wenn die Haustiere der Leute krank sind und leiden, sind auch die Halter meist sehr verzweifelt. Sie sind dann glücklich, wenn ich zu ihnen komme. Denn krank wollen die meisten Tiere noch weniger Auto fahren. Vor allem Hunde reißen einem dann fast die Hütte ab“, erzählt Reißmann.

Die blonde Tierärztin, die neben der mobilen Sprechstunde auch Praxisräume in Fell unterhält, hat sich vor rund drei Jahren für das Experiment „mobiler Tierarzt“ entschieden. Bedenken, ob ihre neue Geschäftsidee Früchte tragen würde, hatte die Mutter eines zehnjährigen Sohnes am Anfang schon. Nehmen die Kunden das Angebot an? Machen die Tiere mit? Kann ich das alles alleine stemmen? „Selbständig sein ist immer anstrengend. Körperlich und psychisch läuft man immer auf 200 Prozent“, berichtet sie. „Noch heute kann ich oft abends nicht einschlafen oder schlafe schlecht, weil mir allerlei Gedanken im Kopf umherkreisen.“ Doch ihre Bedenken blieben erst einmal unbegründet, denn das neue Konzept sei von Anfang an ein großer Erfolg gewesen, betont Reißmann. So bietet sie bis heute nicht nur Triers erste, sondern bislang auch einzige mobile Tierarztpraxis. Während die Ärztin in ihren Praxisräumen, die schon bald um eine Intensivstation vergrößert werden, noch eine Mitarbeiterin beschäftigt, ist sie montags, mittwochs, donnerstags und freitags alleine auf Achse.

Das ängstliche Mäxchen muss nun erst einmal auf einer Decke auf dem Behandlungstisch im Wagen Platz nehmen, um sich langsam an die neue Umgebung zu gewöhnen. In ihrer kompakten Praxis hat Reißmann nach eigener Darstellung alle Möglichkeiten, die sie auch in Fell hat. „Ich habe hier zum Beispiel ein Beatmungs- und ein Röntgengerät und einen Ultraschall. Außerdem kann ich genauso steril arbeiten, wie in der normalen Praxis. Und ich kann von kleineren Untersuchungen bis zu großen OPs alles machen“, erklärt sie. Es sind lediglich Kleinigkeiten, die die Arbeit ein wenig anders gestalten. Weil es sonst vor allem im Winter sehr kalt wäre, sollte der Wagen während den Behandlungen im Idealfall immer an Strom angeschlossen sein. Auch wenn kleinere Operationen, wie die an einer Katze, ohne Probleme mit laufendem Motor machbar sind, benötigt Reißmann bei größeren Eingriffen, beispielsweise bei jenen an Hunden, stets eine feste Verbindung zum Hausstrom. Doch gerade in Wohngebieten ist es nicht immer einfach, für längere Zeit den Motor laufen zu lassen, ohne dass sich jemand beschwert, oder einen Parkplatz direkt in der Nähe der Patienten zu finden, um den Wagen an den Hausstrom anzuschließen.

So ganz traut die kleine rote Katze, die immer noch zusammengekauert auf der Decke ausharrt, der Sache im fremden Wagen noch nicht. Während Frauchen zu Hause auf dem Sofa wartet, wird nun zur Beruhigung erst einmal ein bisschen mit der jungen Tierärztin gekuschelt. Nach einer kurzen Spritze in den Muskel wird Mäxchen müde und schläft auch schon bald ein. „Mann kann noch so einen bescheidenen Tag haben, aber wenn dann eine Katze kommt, mit der man erst einmal eine Runde kuscheln kann, dann ist alles wieder gut“, sagt Reißmann.

Neben Katzen sind in der Praxis auf vier Rädern noch eine ganze Reihe anderer Patienten in Behandlung. Erst im letzten November fuhr Reißmann mit ihrem tonnenschweren Krankenwagen bis nach Neumagen-Dhron. Dort wohnt Elvis, ein zahmer Waschbär, der über Zahnweh klagte und noch dringend vor seinem Winterschlaf behandelt werden musste. „Diese außergewöhnlichen Momente sind immer wieder Dank und Belohnung für die doch sehr harte Arbeit“, erzählt die Tierärztin. Stress gleicht Reißmann jedoch nicht nur durch außergewöhnliche Begegnungen wie diese aus. Ein Radio braucht sie während den vielen Kilometern, die sie fast täglich zurücklegt nicht, denn ihr größtes Hobby, das Singen, bringt ihr an besonders stressigen Tagen immer wieder die nötige Entspannung. Seit fast sechs Jahren macht sie bereits neben ihrem Beruf eine professionelle Gesangsausbildung am Konservatorium in Luxemburg und steht nun kurz vor ihrer Abschlussprüfung. Fahrten ins benachbarte Großherzogtum stehen nicht nur mehrmals wöchentlich für die Musik auf ihrer Agenda, sondern auch für eine Reihe ganz besonders wertvoller Patienten.

„Interessieren Sie sich für Kois?“, habe ein Kollege sie eines Tages gefragt. Das sei so ziemlich am Anfang ihrer Selbstständigkeit gewesen, erinnert sie sich. Auch wenn Reißmann zunächst keine Ahnung hatte, was Kois ganz genau sind und vor allem wie man sie behandelt, gehören die edlen Fische nun seit gut neun Jahren zu ihrem festen Patientenstamm. Wegen Hautproblemen und Löchern im Schuppenkleid kommt die Karpfenart, die eine Lebenserwartung von bis zu 60 Jahre hat, meistens zu ihr in Behandlung. Auch wenn viele Erreger durch Zugabe von Medikamenten in den Teich abgetötet werden können, gelingt das nicht immer. So landen immer wieder Kois unter Narkose auf ihrem Behandlungstisch. „5-7 Minuten kann man einen Fisch unter Narkose aus dem Wasser holen und die Wundbehandlung dann mittels Laser durchführen. Da muss man sich schon beeilen. Der Koi kommt dann allerdings erst im Wasser wieder zu sich“, erzählt Reißmann.

Katze Mäxchen ist bereits frisch kastriert und geimpft, liegt aber noch in Narkose in seiner Kiste, als Reißmann nach einer knappen halben Stunde an der Haustür der Halterin klingelt. „Ich versuche die Tiere meistens erst in der Wohnung wieder aus der Narkose zu holen. Für die Tiere ist es toll, in ihrer vertrauten Umgebung aufzuwachen“. So wird Mäxchen erst einmal auf seine blaue Lieblingsdecke gebettet, wo sie sich von der OP erholen kann. „Ich wollte die Katze nicht so lange weggeben, weil sie so ängstlich ist. Ich bin ja selbst nach so einer OP immer total fertig mit den Nerven“, erzählt Elisabeth Pinnisch, die sichtlich entspannter wirkt, nun wo Mäxchen wieder da ist. „Auf Empfehlung einer Freundin kam ich schließlich zur mobilen Tierarztpraxis.“ Weniger Stress für Mensch und Tier, für diesen Luxus zahlt Pinnisch neben den Behandlungskosten gerne noch eine Pauschale für die Anfahrt der Ärztin. Während die Katze unter Streicheleinheiten langsam aus der Narkose aufwacht, wartet auf Reißmann schon der nächste Patient.

Im raschen Tempo rollt die mobile Praxis die Gustav-Heinemann Straße Richtung Olewig. Hier wohnen Stefanie Bösen und ihr schwarzhaariger Kater Milou. Er hat schon seit mehreren Wochen eine hartnäckige Pilzerkrankung am Ohr und muss deshalb regelmäßig zur Kontrolle. Ein kurzes Gespräch, neue Medikamente und noch ein paar Fellpflegetipps von der Expertin, dann geht es auch schon weiter zum nächsten Tier. Solche kurzen Hausbesuche gehören für Reißmann zum alltäglichen Geschäft. „Milou ist sehr ängstlich“, erzählt Bösen. „Mit ihm zum Tierarzt zu fahren, ist schon eine Nervensache. Die Katze und ich haben durch die Hausbesuche viel weniger Stress. Außerdem können wir so einen persönlichen Kontakt zur Tierärztin aufbauen. Man lernt sich über die Zeit kennen, und Vertrauen ist mir persönlich sehr wichtig.“

Die Chance, ihre Kunden noch persönlicher zu Betreuen, in ihre Lebenswelt einzutauchen und ihre Sorgen und Problem besser zu verstehen, war eine Motivation unter vielen, warum sich Reißmann für eine mobile Version ihrer Praxis entschieden hat. „Vor allem ältere Leute, die nicht mehr so mobil sind, sind tolle und dankbare Kunden. Sie freuen sich einfach, wenn sich jemand um sie und um ihr Tier kümmert“, erzählt sie. So arbeitet Reißmann auf ihren Touren nicht nur als Tierärztin, sondern auch manchmal als Seelsorgerin und gute Freundin, die auch in schwierigen Situationen mit Rat und Tat zur Seite steht. „Viele Tierhalter, die sonst keine enge Bezugsperson haben, sind oft nicht in der Lage zu sehen, wie schlecht es ihrem Tier geht. Sie gucken dann eher mit dem Herz als mit dem Verstand“, erzählt sie.

Für Reißmann ist die mobile Praxis ihr Traum, den sie sich durch harte Arbeit erfüllt hat und den sie heute nicht mehr missen möchte. „Natürlich gibt es traurige Momente. Wenn ein Tier stirbt, was ich lange begleitet habe, ist das echt heftig. Aber es gibt jeden Tag auch so viele tolle Momente, die motivieren“, erzählt sie. „Ein Highlight war zum Beispiel die Geburt von Hundebabies, denen ich per Kaiserschnitt in meinem Wagen zur Welt geholfen habe.“

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