Die Rose ist neu erblüht

Vier Jahre lang wurde das Innere der Trierer Liebfrauenkirche renoviert. Am Wochenende vom 3./4. September öffnet die gotische Zentralbasilika mit einem umfangreichen Programm, bis Ende des Jahres können sich Interessierte regelmäßig durch die Kirche führen lassen. Zu sehen ist ein lichtdurchfluteter gen Himmel strebender Raum, dessen Säulen und Wände von einer jahrhundertealten Staub- und Dreckschicht befreit sind. Die neue helle Farbigkeit gibt der Kirche einen frischen, luftigen Charakter.

TRIER. Die Trierer Liebfrauenkirche ist der erste gotische Zentralbau Deutschlands. Damit zog die französische Mode der Hochgotik in die Bistumsstadt Trier ein. Nicht nur ihr Grundriss, die 12-blättrige Rose mit dem darinliegenden griechischen Kreuz, ist Symbolik pur. Die zwölf Säulen mit den darauf gemalten Aposteln tragen ein Gewölbe, was mit dem Namen „Paradies“ betitelt wird und seinesgleichen sucht. Architektonisch ist die aus Kordeler Sandstein von französischen Baumeistern zwischen 1227 und 1260 errichtete Basilika ein Abbild des himmlischen Jerusalem. Hinzu kommt die farbliche Gestaltung des Gewölbes, das nach der grundlegenden Reinigung und Renovierung wieder vollständig ausgeschmückt ist. Die Patronin der Kirche, die Jungfrau Maria, thront in tiefrotem langem Kleid mit Jesus auf dem Arm im hinteren Teil des verlängerten Chorgewölbes. Mit ihrer Größe von 1,82 Metern steht sie auf einer Mondsichel und ist von einer goldenen Flammenaureole umgeben. Sie sticht aus dem sie umgebenden Garten mit 1257 Lilien prägnant hervor, die das gesamte Gewölbe floral schmücken.

Dass die unaufdringliche Farbigkeit wieder so gut zu erkennen ist, ist eines der Ergebnisse der vierjährigen Restaurierung. Die Gemälde im Gewölbe und auf den Säulen wurden im 19. Jahrhundert zum Schutz mit einer Galvanschicht übermalt, was aber das Gegenteil bewirkte, denn diese Schicht sog Schmutz und Staub auf, so dass die Bilder fast nur noch als Schwarz-weiß-Bilder zu erkennen waren. Ob die Kirche jedoch jemals komplett farbig war, lässt sich nicht eindeutig sagen, so der Bistumsarchitekt Josef Eltges. „Durch unsere Untersuchungen haben wir über 900 Spuren von Farbresten gefunden. Hinzu kommen unglaublich viele und hochwertige Informationen, die das digitale Aufmaß des gesamten Raumes ergeben haben (16vor berichtete). Darunter sind zum Beispiel auch eine Fülle von Steinmetzzeichen. Diese Daten müssen nun mit anderen Bauwerken verglichen werden.“ Im nordwestlichen Seitenschiff haben die Restauratoren einen Teil der Wand und der Säulen farbig gefasst, um einen Eindruck hochgotischer Farbigkeit zu bekommen. „Doch der Ist-Zustand der Kirche zu Beginn der Renovierungsarbeiten war ausschlaggebend“, erläutert Josef Eltges. Und zu dieser Zeit waren die Wände steinsichtig – wann eine eventuelle Farbigkeit abgetragen wurde, wissen wir nicht.“

Die rohen Sandsteine aus Kordel lassen in sich jedoch auch eine Vielfarbigkeit in Wänden und Säulen entdecken, das Spektrum reicht von einem kalten Grau bis hin zu einem warmen Orangeton, so wie die Natur den Stein geschaffen hat. Auch hier wurde ausgiebig gereinigt. Welche Methoden jeweils angewendet wurden, hat ein mit Spezialisten aus dem gesamten Bundesgebiet besetztes Fachgremium in laufender Diskussion und Abwägung entschieden. „Ich bin froh über die Einmütigkeit, die in dem ganzen Prozess zu spüren war. Gemeinsam haben wir eine traumhaft schöne Kirche wieder in einen optimalen Zustand versetzt“, freut sich der Pfarrer von Liebfrauen und Domkapitular Hans-Wilhelm Ehlen.

Bei der Reinigung der Sandsteinsäulen und -wände hätte das Abschrubben mit einem Haushaltsschwamm das beste steinschonende und umweltfreundlichste Ergebnis geliefert, so Ehlen, der spätestens während der letzten vier Jahre zu einem ausgewiesenen Fachmann seiner Kirche geworden ist. Doch in Zusammenarbeit mit Spezialisten konnte eine Methode angewendet werden, die sonst nur für kleinere Flächen wie Skulpturen zum Einsatz kommt. „Wir haben ein bestimmtes Tonmineral mit Wasser gemischt und konnten das großflächig auftragen. Diese Masse dringt in den Stein ein und löst den gesamten Schmutz. Sobald das Mineral wieder trocknet, fällt es samt der Verschmutzungen einfach auf den Boden. Sonst hätten die Restauratoren ja wochenlang schrubben müssen!“

Neben der grundlegenden Reinigung wurde viel Zeit und Knowhow in die Wiederherstellung des Gewölbeputzes gelegt. Noch jetzt wurden Schäden aus dem Bombenangriff 1944 entdeckt und repariert, bis 2007 wurden hauptsächlich statische Schäden beseitigt und das Dach neu gedeckt. Seit 1951 ist das liturgische Zentrum nicht mehr im Chor, sondern zentral unter dem Vierungsturm, was bei der jetzigen Innenrenovierung auch beibehalten worden ist und damals innovativ die Leitlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils vorweg nahm. 1986 wurde die Liebfrauenkirche zusammen mit dem durch das Paradies ehemals verbundenen Dom als Doppelkirche von der UNESCO in die Liste des Welterbes aufgenommen.

Aufgrund der hohen Bedeutung der Architektur konnte die langjährige Renovierung auch mit unterschiedlichen Mitteln finanziert werden. Die mehr als sieben Millionen Euro an Kosten wurden von zahlreichen Institutionen und Spendern aufgebracht, darunter dem Bistum Trier, der Bundesrepublik Deutschland mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket, dem Land Rheinland-Pfalz und der Stadt Trier, dem Investitionsprogramm für nationale UNESCO-Welterbestätten und der Landesdenkmalpflege – Generaldirektion Kulturelles Erbe Mainz. Und auch die Pfarrgemeinde Liebfrauen hat jahrzehntelang Geld und Spenden gesammelt.

Neu eingebaut wurden in Liebfrauen die komplette Heizungsanlage und der Sandsteinboden. Ebenso erneuert wurden alle Elektroinstallationen sowie die Beleuchtung. Neben der Renovierung der Seitenaltäre, Statuen und Apostelbilder wurde ebenso auch die Orgel im Chor renoviert oder die goldene Pforte neu aufgebaut. Dies und vieles mehr lässt sich vor Ort, in einer Führung oder der neuen Literatur erschließen. Eine Dokumentation der Renovierungsarbeiten und erste Forschungsergebnisse sind in der zur Eröffnung erscheinenden 348 Seiten starken Festschrift mit dem Titel „Die Rose neu erblühen lassen…“ nachzulesen (24,90 Euro). Gleichzeitig erscheint nach langen Jahren auch wieder ein kleinerer 40-seitiger Führer durch die Liebfrauenkirche (3,90 Euro).

Während die Forscher sicher noch lange an Liebfrauen arbeiten, wird die Wiedereröffnung der Liebfrauenkirche am 3./4. September mit einem großen Festprogramm begangen. Am Samstag, dem 3. September um 20 Uhr findet im Dom ein Benefizkonzert statt, die feierliche Eröffnung der Liebfrauenbasilika wird am Sonntag, dem 4. September, um 15 Uhr mit einem Pontifikalamt und um 21 Uhr mit dem Marienlob gefeiert. In einem großen Festzelt gibt es eine Fülle an Informationen zur Eröffnung und weiteren Aktionen, Konzerten und Führungen. Mit dem Kauf eines Kalenders, eines Glasbilds, Ansichtskarten oder der von der Sparkasse aufgelegten Sondermünze können Liebhaber die Renovierung und den weiteren Unterhalt unterstützen.

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